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Doch keine Blockchain für die Banken? R3 präsentiert Corda

Dem Startup R3 ist es gelungen, die größten Banken der Welt hinter sich zu versammeln, um „etwas mit Blockchain“ zu bauen. Nun hat R3-Chefingenieur Richard Gendal Brown mit Corda das erste Produkt vorgestellt. Was macht Blockchains interessant für Banken? Und ist das, was dabei herauskommt, noch wirklich eine Blockchain?

In der Bitcoin-Szene war R3 von Anfang an kontrovers. Nicht nur, weil das Startup von drei Ex-Bankern gegründet wurde und Leute wie den Bitcoin-Kritiker Tim Swanson angestellt hat – sondern vor allem, weil R3 von Beginn an klargestellt hat, keine Blockchain für alle bauen zu wollen, sondern ein Produkt exklusiv für Banken. R3 baut sozusagen den Anti-Bitcoin für die Firmen, die der Bitcoin überflüssig machen sollte.

In rascher Folge haben sich die größten Banken der Welt – auch die Commerzbank und Deutsche Bank – dem Projekt angeschlossen. Nun hat Richard Gendal Brown, ehemalige IBM-Ingenieur und Chief Technologie Officer bei R3, das erste Produkt vorgestellt:

Corda ist eine Distributed Ledger Plattform, komplett neu entwickelt, um finanzielle Verienbarungen zwischen regulierten Finanzinstituten aufzuzeichnen, zu verwalten und zu synchronisieren. Es ist stark inspiriert von Blockchain Systemen und nutzt deren Vorteile, jedoch ohne die Design-Entscheidungen zu übernehmen, die Blockchains im Umfeld von Banken oft unbrauchbar machen.

In einem ausführlichen Blogbeitrag erzählt Brown, wie Corda entstanden ist. Er hat nicht bei der Lösung (Blockchains!) begonnen, sondern beim Problem. „Satoshi Nakamoto ist nicht eines Morgens aufgewacht und wollte ‚die Blockchain auf Finanzen anwenden‘. Die Blockchain ist ein Werkzeug, das entwickelt wurde, um echte Probleme zu lösen.“ Beim Bitcoin könnte dieses Problem lauten: wie baue ich ein System, in dem mich niemand daran hindern kann, mein Geld auszugeben? Die Blockchain ist hierfür eine brillante und geniale Lösung. Was aber hat das mit Banken zu tun? Ist ein solches System für Banken nicht eher das Gegenteil von nützlich und wünschenswert? Lässt es sich dafür nutzen, dass Banken effizienter arbeiten, ohne sich selbst überflüssig zu machen?

Brown saß „in einem dunklen, kleinen Büro in London“ und hat über genau diese Frage nachgedacht. Welche Eigenschaften haben Blockchains, wie kann man diese kombinieren, und welche Geschäftsprobleme von Banken sind es, die man mit Blockchains lösen kann? Ohne zu tief in die Details zu gehen – das, was eine Blockchain kann, und zwar besser als andere Werkzeuge, ist es, einen gemeinsamen Konsens über geteilte Fakten und deren Evolution zu erzwingen. „Und das war der Aha-Moment und die fundamentale Einsicht, die zum Cordia-Projekt geführt hat: die wichtigen ‚geteilten Fakten‘ zwischen finanziellen Institutionen sind finanzielle Übereinkünfte.“ Banken leihen sich Geld, Banken treffen Abkommen über Derivate, Wertpapiere, Schulden, Zinsen, Laufzeiten und so weiter.

Um dieses Business-Problem anzugehen, haben Brown und die anderen Entwickler eine blockchain-ähnliche Plattform gebaut, die einige Eigenschaften der Blockchain nutzt und andere verwirft. So schafft Corda zwar einen Konsens zwischen den beteiligten Parteien, lässt aber die anderen Parteien außen vor. Auch Transaktionen werden nicht durch alle Knoten, sondern nur durch die Beteiligten validiert. Wie andere Blockchains ermöglicht Corda einen Workflow ohne zentralen Administrator, lässt aber Raum für Beobachtungsknoten durch die Regulierer. Corda verbindet juristische Dokumente mit Smart Contracts, eine native Kyptowährung ist nicht vorgesehen. Ob Corda noch eine Blockchain oder schon etwas neues ist, ist derzeit noch schwer zu sagen. Von der brillanten Einfachkeit und der Kompromisslosigkeit der Bitcoin-Blockchain ist nicht mehr viel übrig geblieben. Aber vielleicht ist das genau das, was die Banken benötigen?

Die Plattform wird in den kommenden Wochen und Monaten weiter entwickelt und getestet. Der Code soll als Open Source veröffentlicht werden. Dies ist eine Kontribution an die Riesen, auf deren Schultern sich die Entwickler von R3 aufstellen.

Über Christoph Bergmann (2807 Artikel)
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1 Kommentar zu Doch keine Blockchain für die Banken? R3 präsentiert Corda

  1. Interessanter Artikel. Ich würde gerne mehr über Corda wissen. Was machen die Banken hier genau? Inwieweit unterscheidet sich Corda von Ethereum? Gibt es Corda schon als Softwarepaket oder gibt es bisher nur ein Konzept? Welcher Konsensusmechanismus wird verwendet (POW wohl kaum)? Und inwieweit ist ein Settlement über Corda billiger als eines über Swift / Sepa / Target oder Euroclear? Inwieweit ist ein Corda Stack billiger als was diese Typen anbieten
    https://www.cls-group.com/Membership/Pages/CLSVendors.aspx
    Das sind die grundlegengenden Fragen auf die selbst in den Präsentationen von R3 und anderen nicht eingegangen wird.

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