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SegWit2MB: Die Lösung des Blocksize-Streits – oder die politische Unterwerfung von Bitcoin?

Handshake - 2 Men. Bild von Flazingo Photos via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Bitcoin Entwickler Sergio Lerner schlägt in der Bitcoin-Mailing-List einen Kompromiss vor: Eine 2MB Hardfork und eine SegWit Softfork. Die Entwickler reagieren wenig begeistert, während der Vorschlag in der Community zumindest ein wenig Beifall findet.

Früher, als die Kriege noch nicht mechanisiert und digitalisiert waren, wurde ein Frieden oft nur aus dem Grund geschlossen, weil alle Parteien kriegsmüde waren. Die Staaten und Reiche waren vom Krieg ausgelaugt, und worum es auch immer gegangen war – die Kosten für das Fortsetzen des Krieges waren höher als der Verzicht auf den Sieg.

Manchmal meint man, dass der Blocksize-Krieg auch nur durch einen Frieden aus Erschöpfung enden kann. Die Altcoin-Rally der letzten Wochen, die den Anteil von Bitcoin am Wert aller Kryptowährungen auf unter 70 Prozent gedrückt hat, könnte ein starkes Signal dafür sein, dass sich langsam die Kosten des Konflikts zeigen, und dass die Furcht, die Ausfahrt zu verpassen, größer wird als die Furcht, das falsche zu tun.

Dementsprechend hat der Vorschlag von SegWit2MB, den der argentinische Bitcoin-Entwickler Sergio Lerner in der Mailing-List ausbreitet, auch nur einen einzigen Zweck: „Es ist keine neue Lösung, sondern sollte als kleinster gemeinsamer Nenner betrachtet werden … der einzige Zweck dieses Vorschlags ist es, die Bitcoin Community wieder zu vereinen und einen Splaltung der Kryptowährung zu vermeiden.“

Lerners Vorschlag ist relativ simpel: „SegWit2MB kombiniert SegWit, wie es in Bitcoin 0.14+ ist, mit einer 2MB Blocksize Hardfork, die NUR aktiviert wird, wenn SegWit aktiviert ist (nachdem 95 Prozent der Miner signalisiert haben), aber dann jedoch mit einem festen Datum in der Zukunft“. Das Ziel ist es, eine minimalisische Lösung zu erreichen, die möglichst schnell entwickelt und getestet werden kann. Die Hardfork zu 2 MB sollte etwa im Dezember 2017 aktiviert werden, was den Bitcoin-Unternehmen viel Zeit gibt, sich vorzubereiten.

„Ich möchte, dass Miner, Entwickler und Unternehmen Seite an Seite Bitcoin vorwärts bringen, um den Wert von Bitcoin zu erhöhen und zu verhindern, dass hohe Transaktionsgebühren Anwendungen verdrängen, die einen hohen sozialen Wert haben,“ beschwört Lerner die Community, „Ich glaube an die Stärke einer vereinten Bitcoin Community.“

Klingt an sich ja ganz gut, und wäre auch das, womit laut meiner Umfrage die meisten von euch zufrieden wären. Wie aber reagieren die anderen Entwickler?

Keine sehr hilfreiche Idee …

Die erste Antwort, die Lerner auf seinen Vorschlag erhielt, war nicht eben ermutigend. Matt Corallo, Bitcoin-Core Entwickler und ehemaliger Blockstream-Mitarbeiter, wies Lerner zurecht: „Du hast offenbar die gesamte Hardfork Forschung der letzten zwei Jahre ignoriert und recyclest stattdessen BIP 102 von 2015.“

Matt Corallo meint, dass die einzige Grundlage von Lerners Vorschlag es sei, einen „Kompromiss um des Kompromisses Willen“ zu erreichen. Er rät ihm, „als ein Minimum“, eine Menge Nacharbeiten zu machen, um die Aktivierung der Hardfork zu verbessern, die Non-SegWit-Blocksize zu verringern und die Ökonomie des SegWit-Discounts zu verbessern. Doch selbst dann trage Lerners Vorschlag eine Menge Risiken in sich, auf die Corallo keine technische Lösung kennt.

Auch sonst hält sich die Begeisterung über den Vorschlag in den Kreisen der Entwickler in Grenzen. Jorge Timon, ebenfalls Mitgründer von Blockstream, erklärt ganz gut die Krux mit Lerners Vorschlag: „Wenn SegWit in seiner derzeitigen Form kontrovers ist (…), wird es nicht weniger kontrovers werden, wenn wir noch mehr Konsens-Regeln ändern. Wenn überhaupt, dann würde es durch weniger konsensrelevante Änderungen weniger kontrovers werden.“ Timon möchte Lerner nicht davon abhalten, an dem Vorschlag zu arbeiten, „doch ich sehe nicht wirklich, wie es uns helfen kann, aus der gegenwärtigen Blockade heraus zu kommen.“

Andere, sowohl auf Seiten von Core als auch von Unlimited, haben SegWit2MB als das schlechteste aus beiden Welten beschrieben: Wenn wir SegWit haben, brauchen wir ja erstmal keine Blocksize-Erhöhung; und wenn wir eine Hardfork haben, müssen wir SegWit nicht als Softfork machen, was nach mancher Mannes Ansicht vorteilhaft wäre …

Ein Vorschlag, das soziale Gewebe zu heilen

Eric Vorhees, Gründer und CEO von Shapeshift.io, ist hingegen eher begeistert. Auf seinem Blog moneyandstate stellt er Lerners Vorschlag vor und fügt hinzu: „Und ich möchte dafür plädieren, dass er in Erwägung gezogen wird …“

Wie Lerner appelliert Vorhees an die Gemeinschaft der Community. „Bitcoin ist enorm wichtig. Sind wir uns darüber noch alle einig? Die Gesellschaft braucht, was wir aufbauen, nicht als Zwang, sondern als Angebot; eine gute und zuverlässige Zuflucht von der Tyrannei der Manipulatoren der Weltfinanzen. Das ist der Grund, weshalb viele von uns dabei sind.“ Allerdings hat sich in den letzten Jahren etwas geändert. „Die frühere Freundschaft unter Fremden, eine seltene Kameradschaft, entstanden aus einer großen, gerechten Sache, ist in einen Konflikt zerfallen. Wir alle sehen und fühlen das, und für diejenigen unter uns, die sich wahrhaft um das Projekt kümmern, ist dies ein Unglück. Vielleicht haben viele bereits vergessen, wie sich die Community vor einigen Jahren angefühlt hat, als die Feinde noch nicht wir selbst waren.“

Aber nicht nur das: „Der unglückliche Kontext, in dem das passiert, ist der einer schwindenden Nützlichkeit der Plattform: Transaktionen werden teurer aber unzuverlässiger. Die Nutzererlebnis einer Bitcoin Transaktion ist heute schlechter als vor zwei Jahren … macht euch nicht vor, dass die steigenden Preise eine fundamentale Gesundheit implizieren. Der Preis folgt der Nützlichkeit, und die letztere kann einbrechen, bevor der erstere es realisiert.“

Bitcoin ist eine brillante technische Maschine – aber auch ein soziales Projekt. Lerners Vorschlag ist daher für Eric Vorhees nicht aus technischen Gründen einzigartig, „sondern durch sein Potenzial, zu vereinen. Es hat das Potenzial, nicht nur auseinanderlaufende technische Meinungen zu vereinen, sondern auch das soziale Gewebe dieser Community, was ebenso wichtig ist. Jede Alternative, auch wenn sie technisch überlegen ist, muss als minderwertiger betrachtet werden, wenn sie nicht auch eine soziale Lösung ist.“

Auch Andreas Antonopolous, prominenter Bitcoin-Redner, stimmt Vorhees per Twitter zu: SegWit2MB is nicht perfekt, aber besser als ein weiterer Scalability Krieg.

Darf eine politische Lösung für Bitcoin überhaupt relevant sein?

Natürlich ist nicht jeder mit Eric Vorhees, Andreas Antonopolous und anderen einverstanden. Viele halten es sogar für verheerend, die Entwicklung von Bitcoin politischen Kompromissen zu unterwerfen.

Adam Back, CEO von Blockstream, verwies auf einen Hardfork-Plan von Core Entwickler Johnson Lau und mahnte, die Wissenschaft und nicht die Politik entscheiden zu lassen:

Und Nick Szabo, der manchmal als Satoshi Nakamoto gehandet wird, es aber vermutlich nicht ist, legte noch nach: Es sei, als würde man einen ignoranten Mob auf Kosten der Sicherheit von Bitcoin besänftigen.

Tatsächlich ist es problematisch, die Bitcoin-Entwicklung von politischen Lösungen abhängig zu machen. Schließlich ist es gerade der Punkt an Bitcoin, dass es nichts mit Politik zu tun hat. Was, wenn die Politik beginnnt, Transaktionen zu blacklisten? Wo hört dies auf? Damit, dass eine neue Zentralbank die Erzeugung neuer Coins reguliert?

Allerdings sollte man wohl auch anerkennen, dass es illusorisch ist, Bitcoin ohne Politik zu betreiben. Einen Konsens zu finden bedeutet immer Politik, auch dann, wenn man es oberflächlich nicht sieht.

Über Christoph Bergmann (2807 Artikel)
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18 Kommentare zu SegWit2MB: Die Lösung des Blocksize-Streits – oder die politische Unterwerfung von Bitcoin?

  1. Danke für den Artikel.
    Ich bin aber leider auch erstmal GEGEN diesen Vorschlag.

  2. Satoshi würde nie sagen, was Nick Szabo da sagte. Er kann es nicht sein.

  3. Politik bezeichnet die Regelung der Angelegenheiten eines Gemeinwesens durch verbindliche Entscheidungen. Sehr allgemein kann jegliche Einflussnahme, Gestaltung und Durchsetzung von Forderungen und Zielen in privaten oder öffentlichen Bereichen als Politik bezeichnet werden. –> Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Politik

    Ob Bitcoin Core will oder nicht, was sie betreiben ist Politik und nix Anderes.
    Wenn nun Wissenschaft die Entscheidung treffen soll ist das nix Anderes als eine Diktatur, zumal Wissenschaft nicht über alle Zweifel erhaben ist, im Falle der Blocksize-Debatte und Hardfork NIEMAND genau vorhersehen kann, wie sich Entscheidungen tatsächlich auswirken werden.

    Wenn solch Leute am Werke sind, wird das System zu hoher Wahrscheinlichkeit scheitern.
    Für mich wieder ein Grund mehr Bitcoin gegen Dash zu tauschen.

    • Dann tausche doch endlich deine Bitcoin gegen Dash und höre auf, hier rumzutrollen. Bin ja mal gespannt, wo du deinen digitalen trash an den Mann bringen willst. Oder an die Frau. Scamanda wird es freuen.

      • Tony Ford // 5. April 2017 um 5:32 //

        Mit Dash kann ich nahezu auch überall dort bezahlen wo ich mit Bitcoin zahlen kann, was ohnehin ja noch relativ sparsam gesäht ist.
        Z.B. BitPay oder Bitwa.la kann ich genauso auch Dash zur Zahlung benutzen.
        Grundsätzlich finde ich es für mich sinnvoll auf mehreren Hochzeiten tanzen zu können, was schlussendlich gerade in den letzten Wochen die Performance wesentlich verbessert hat als dies mit Bitcoin allein möglich gewesen wäre, also Alles richtig gemacht.
        Und ich gehe davon aus, dass Dash die kommenden Wochen und Monate weiter steigen wird, während Bitcoin weiter korrigiert.

  4. Dann google mal Diktatur.
    Niemand diktiert dir Bitcoin zu nutzen.

  5. Ja es schmerzt wenn man nicht bekommt was man will, kompromisse schmerzen immer, sind aber letztlich heilsam weil es danach Raum für neue Perspektiven gibt. Mir wäre der Infinity-Patch zwar lieber ( https://github.com/whitslack/bitcoin-infinity ), aber weil man nicht alles haben kann… pro SegWit2MB!

  6. Wir müssen ganz klar weg von der zentralisierten Entwicklung.

    Wie einfach ist es aktuell, Bitcoin zu kontrollieren? Alle Entwickler mit Commit Rechte + 4 der größten Minder kontrollieren/zerstören geht mit etwas krimineller Energie oder etwas staatlicher Macht (zb. Geheimdienst) sehr einfach!

  7. Ich fasse zusammen:

    Schwester: Herr Doktor! Herr Doktor! Unser prominenter Patient wird möglicherweise bald sterben wenn wir nicht schnell handeln, sein Leiden wird immer offensichtlicher und unerträglicher! Seine Familie und die Presse sitzt uns im Nacken. Wenn wir Ihn verlieren riskieren wir von einem wütenden Mob überrannt zu werden!!! Was sollen wir nur tun?! Wenn wir Ihn aufschneiden, riskieren wir einen sofortigen tot oder eine unwiderrufliche Behinderung. Wenn wir Ihn mit diesen neusten unerprobten Medikamenten voll pumpen, riskieren wir, dass diese nicht anschlagen oder den Patienten stark schädigen…

    Dr.: – Hmmm, das ist ein komplizierter Fall. Ich schlage vor, wir verabreichen Ihm das neuste unerprobte Medikamenten und schneiden Ihn dann nur ganz leicht zum schein auf. Das wird die Menge besänftigen und den Patienten womöglich retten, wenn er denn an der Behandlung nicht verreckt…

  8. Danke Hal! mal gucken wer zuerst die Geduld verliert..

  9. Gottseidank nur ein (überflüssiger) Vorschlag. Ich hätte mir gewünscht das er diesen bereits vor 100 Jahren gemacht hätte. Das war meiner Meinung zum aktuellen Zeitpunkt total überflüssig … aber so ist nun mal Demokratie.

  10. Nix da. Segwit allein bedeutet schon 2MB softfork. Da brauchts kein Hartfork.
    Dann noch LN dazu und das Problem ist gelöst, weil beliebig skalierbar und blitzschnell.
    Dass die Gebühren dabei sinken ist für uns ein vorteil. Für Miner eher nicht.

    • 2 MB ist nur die halbe bzw. viertel Wahrheit … Aber egal 🙂

    • Auch so ein Mythos, dass für Miner Lightning Nachteile einbringen würde.
      Durch die Anpassung der Schwierigkeit liegen die Margen für die Miner im Mittel nahe bei Null.
      D.h. wenn die Gebühren steigen, steigen die Margen, wird Mining ( temporär ) attraktiver, wird mehr in Mining investiert, steigt die Schwierigkeit, womit sich mehr Miningpower/Miner die steigenden Gebühren teilen.
      Somit spielen die Gebühren die die Miner kassieren auf lange Sicht keine Rolle.

      • Aha nur Mythos. Wenn es so wäre würden die Miner Segwit nicht wie Teufel das Wasser fürchten. Auch egal ☺

      • Tony Ford // 5. April 2017 um 20:46 //

        @Al Ban
        Miner haben grundsätzlich nix gegen SegWit, wie man u.a. bei Litecoin sehen kann, wo die Zustimmung mittlerweile über 70% liegt.

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