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„Ignorieren auf eigene Gefahr“: Ein Buch, das auf nur 200 Seiten das gesamte Ökosystem der Kryptowährungen abdeckt

Der Buchrücken von "Ignorieren auf eigene Gefahr - die dezentrale Welt von Bitcoin und Blockchain".

Drei Schweizer Autoren versuchen mit einem Buch etwas geradezu unmögliches: Sie beschreiben auf nur 200 Seiten so gut wie alle Aspekte von „Krypto“: Von Bitcoin bis Tezos, von Lightning bis Tangle, von Futures bis Smart Contracts, von Darknet bis Identität. Gemessen an dieser Aufgabe ist „Ignorieren auf eigene Gefahr – die dezentrale Welt von Bitcoin und Blockchain“ sehr gelungen.

„Krypto“ wurde im Lauf der letzten Jahre sehr kompliziert. Wo es einst nur Bitcoin gab, gibt es heute eine Fülle an Altcoins, die mal mehr, mal weniger sinnvoll etwas technisch Neues ausprobieren. Wo es danach zunächst nur Kryptowährungen gab, füllen heute Token aller Art die Blockchains. Und wo es früher nur Blockchain-Transaktionen gab, findet man heute Smart Contracts, Offchain-Netzwerke und Sidechains.

All das ist eigentlich unmöglich unter einen Hut oder zwischen zwei Buchdeckel zu bringen. Pascal Hügli, Yongthan Lee und Richard Dettling haben es dennoch versucht. Die Schweizer geben das Buch „Ignorieren auf eigene Gefahr – Die neue dezentrale Welt von Bitcoin und Blockchain“ heraus. In diesem wagen sie den großen Rundumschlag.

Sie erklären Bitcoin, sowohl technisch als auch politisch und finanziell. Sie ordnen Kryptowährungen in breite ökonomische und soziale Prozesse ein, vom Elend des Fiatgeldes über Futures und ein neues Internet. Sie beginnen mit Bitcoin, schlagen den Bogen zu Ethereum, reissen Privacycoins wie Zcash und Monero an, beschreiben Kryptowährungen wie Tezos, die ein neues Governance-Modell einführen, und erklären, wie einerseits mit Lightning und Liquid und andererseits mit Tangle und Hashgraph skaliert werden soll. Dazu thematisieren sie das Darknet und erzählen, wie Bitcoin von einer Nischenwährung zu einem globalen Investment wurde, das sogar auf den Börsen von Chicago gehandelt wird. Schließlich schreiben sie über die rechtliche Stellung von Bitcoin und Identitäten auf der Blockchain.

Kann das gutgehen? Man könnte über fast jeden einzelnen Aspekt ein ganzes Buch füllen, und allein schon die Recherche zu diesen umfangreichen Themen dürfte Jahre dauern. Insgesamt gelang es, würde ich sagen, besser als gefürchtet, aber nicht so gut wie erhofft.

Das Buch lässt mich etwas zwiegespalten zurück: Einerseits ist es herrlich, wie die Autoren es schaffen, so viele Themen zusammenzubringen, und dabei auch einigermaßen stringent zu bleiben. Die Struktur des Buches wirkt sinnvoll und durchdacht. Andererseits springen die Kapitel doch ein wenig durcheinander, etwa wenn schon recht früh Forks, ICOs und der E-Franke vorkommen, aber die zugrundeliegende Technologie erst später erklärt wird. Auch wirken die 5-10 Seiten langen Kapital oft viel zu kurz. Sie sind ordentlich recherchiert und soweit ich es sehe auch immer korrekt, bleiben aber oft sehr oberflächlich und lassen mehr Fragezeichen als Antworten zurück.

Ähnlich hin- und hergerissen bin ich beim Aufbau der Kapitel. Die Autoren führen gerne mit philosophischen Überlegungen ein, die die jeweiligen Aspekte sinnvoll in Geschichte und Gesellschaft verorten und gute Bezüge zu großen Autoren schlagen, vor allem Ökonomen. Allerdings bleibt das eigentliche Thema dabei manchmal auf der Strecke. Das erweckt den Eindruck, als wüsste das Buch nicht ganz, was es sein möchte: Ist es ein umfassendes, eher enzyklopädisches Werk, in dem der Leser zu einer Fülle an Themen eine kurze, sachliche Information findet – oder ist es ein eher feuilletonistischer Streizug durch die Krypto-Welt, der die Themen nur als Aufhänger für Abschweifungen benutzt? Das Buch schwingt zwischen diesen Polen hin und her, ohne sich wirklich entscheiden zu können.

Durch das Buch hinweg zieht sich ein Comic, der immer wieder eine oder zwei Seiten füllt. Bei dem Comic geht es darum, wie ein Journalist auf Satoshi stößt, wie ein Entwickler eine Blockchain baut und wie die Granden des etablierten Finanzwesens die Krypto-Revolution aufhalten wollen. Auch hier bin ich zwiegespalten. Der Comic ist schön gezeichnet, aber ihm fehlt der rote Faden. Er wirft eher häppchenweise Informationen zu Bitcoin und Co hin, bleibt aber insgesamt eher in einer schwarz-weiß-Welt und schlägt eher ungeschickte Pointen.

All das ist aber weniger als eine Kritik an den Autoren zu verstehen, sondern ist der Schwierigkeit des Stoffs geschuldet. Bitcoin ist an sich ja schon ein komplexes Gebiet. In der Kryptowährung fließen Informatik, Spieltheorie und Ökonomie auf eine glänzende, aber nicht eben intuitive Weise zusammenfließen, und sie wurde zum Boden einer sozialen Bewegung, die vollkommen verschiedene Gruppierungen und Weltanschauungen zusammenbringt. Noch verwirrender wird alles, wenn man noch das ganze Drumherum hinzufügt: Altcoins und Smart Contracts und Blockchain-Technologie sowie die historische Entwicklung von der Silk Road zur Börse von Chicago.

Diese Menge an Stoff auf gerade mal 200 Seiten unterzubringen ist ein Kunststück, das kaum gelingen kann. Gemessen an diesem Anspruch leisten die Autoren etwas Großartiges: Sie schaffen es, alles zusammenzubringen, ohne dabei die Struktur oder Lesbarkeit zu verlieren. Zudem manöverieren sie souverän durch die verschiedenen Weltansichten zwischen Bitcoin-Maximalismus und Technik-Euphorie, wobei sie gleichzeitig spürbar begeistert sind und neutral bleiben.

Wenn es nach mir ginge, wäre es geschickter gewesen, sich entweder für einen enzyklopädischen oder einen feuilletonistischen Ansatz zu entscheiden. Also entweder ein trockenes, aber nützliches Nachschlagewert zu verfassen, oder einen lose strukturierten Streifzug durch die verschiedenen Themen, der keinen Anspruch auf Vollständigkeit hat, aber der Lust auf Abschweifungen frönt. Aber das bedeutet freilich nicht, dass sich „Ignorieren auf eigene Gefahr“ nicht lohnt. Gerade für Leser, die Krypto nicht studieren wollen, aber gerne einen Überblick über das große Ganze hätten, dürfte das Buch eine lohnende Anschaffung sein.

Über Christoph Bergmann (2813 Artikel)
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1 Kommentar zu „Ignorieren auf eigene Gefahr“: Ein Buch, das auf nur 200 Seiten das gesamte Ökosystem der Kryptowährungen abdeckt

  1. Danke für die Rezension, Christoph!
    Was wäre die jeweilige Buchempfehlung für das Nachschlagewerk und den „losen Streifzug“?
    (Dein Buch habe ich schon, hat mir sehr gut gefallen 🙂

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