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Deutsche Gesetzgeber machen mobil gegen den Darknet-Drogenhandel

Justitia Römerberg Frankfurt (Gerechtigkeitsbrunnen). Bild von Stefan Bellini via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

In der vergangenen Woche hat der Bundestag zwei Gesetzesänderungen bestätigt, die sich direkt oder indirekt gegen den Drogenhandel im Darknet richten. Da dies zumindest mittelbar etwas mit Bitcoin zu tun hat, schauen wir uns diese Gesetzesänderungen an.

I. Die Ausgangslage

Natürlich ist Bitcoin längst über seine ersten „Killer-Apps“ im Darknet hinausgewachsen. Den Darknet-Marktplätzen ist nicht der Durchbruch im Drogenhandel gelungen, und selbst innerhalb des Ökosystems um Bitcoin sind sie mittlerweile in eine Nische abgewandert. Dies stellte Europol schon 2017 fest: „Die Proportion von online gehandelten Drogen bleibt klein, wenn man sie mit der Menge vergleicht, die durch traditionelle Schmuggel- und Verteilernetzwerke gehandelt werden“. Daran hat sich seitdem nicht allzu viel geändert.

In der medialen Aufmerksamkeit hingegen genießen die Online-Drogenmärkte eine weit über ihre Relevanz hinausgehende Aufmerksamkeit. Diese Aufmerksamkeit schlägt nun wohl auch auf den Gesetzgeber über, der mit zwei Gesetzesänderungen auch auf den Online-Drogenhandel reagiert. Der Hintergrund dabei dürfte auch die vielfach geäußerte Vermutung sein, dass im Zuge der Corona-Krise der Online-Drogenhandel angezogen hat. So äußern sich zumindest Bayerns Justizminister Georg Eisenreich, die deutsche Drogenbeauftragte Daniela Ludwig und zahlreiche Artikel zum Thema.

Hergeleitet wird dieser Aufschwung durch eine nachvollziehbare Argumentation: Wegen des allgemeinen Lockdowns verschiebt sich das Einkaufen aufs Internet. Und was für legale Güter gilt, muss auch für illegale gelten. Das ist verständlich – aber wird durch die Daten von Blockchain-Analysten nicht unterstützt. Im Gegenteil: Chainalysis, der wohl renommierteste Analyst, zeigt, dass der Darknet-Drogenhandel während des Pandemiejahrs 2020 mehr oder weniger stagniert hat:

Hydra ist ein rein russischer Marktplatz. Während dieser Marktplatz deutlich gewachsen ist, ist das Volumen der individuellen Käufe auf Darknetmarktplätzen laut Chainalysis sogar von 12,2 auf 10 Milliarden Dollar gefallen. Im Volumen der Zahlungen im Zusammenhang mit dem Darknet ist Deutschland mit 23 Millionen Dollar international auf dem zehnten Platz – hinter Indien, der Türkei, Vietnam und Venezuela.

Bei all den Problemen, die wir derzeit haben und die im Wachstum begriffen sind, dürfte der Online-Drogenhandel das geringste sein. Üblicherweise widmen ihm daher weder die Drogenfahndung noch der Gesetzgeber eine über das Notwendige hinausgehende Aufmerksamkeit, allein die Cybercrime-Einheiten der Polizei vermerken ihn in ihren Berichten und nutzen ihn, um ihre notwendigen Kompetenzen im digitalen Bereich aufzubauen.

Nun jedoch pirscht die Regierung mit mehreren neuen Gesetzen vor, die ihn direkt oder indirekt adressieren.

II. Das Postgeheimnis

Drogen aus dem Darknet-Shopping werden über die Post ausgeliefert. Man könnte sagen, die Drogendealer missbrauchen die Postdienstleister für ihren illegalen Handel.

Dabei genießen sie den Schutz durch das Postgeheimnis. Dieses ist im Grundgesetz verankert und wird durch Paragraf 39 des Postgesetzes geregelt: Es schützt „die näheren Umstände des Postverkehrs“ sowie den Inhalt von Postsendung. Es verbietet den Mitarbeitern von Postdienstleistern, sich selbst oder anderen Informationen über Inhalt oder Umstand einer Postsendung zu verschaffen, die über das „für die Erbringung der Postdienste erforderliche Maß“ hinausgehen. Eine Ausnahme besteht nur, wenn die Zustellung dies nötig macht oder körperlicher Gefahr in Verzug ist.

Schon seit einiger Zeit wird beklagt, dass das Postgeheimnis der Strafverfolgung im Wege stehe. So etwa durch Bayerns Justizminister Eisenreich, mit Verweis auf das angebliche Wachstum des Online-Drogenhandels. Der Bundestag hat nun am vergangenen Freitag mit einen Entwurf bestätigt, der das Postgesetz ändert.

Der Entwurf baut darauf auf, dass Postdienstleister Sendungen öffnen dürfen, wenn sie beschädigt sind oder dies für die Zustellung notwendig ist. Dabei stoßen sie immer wieder auf Drogen und andere illegale Güter. Verpflichtet, dies zu melden, sind sie aber nur, wenn körperliche Gefahren drohen. Und selbst dann dürfen sie nur die gefährlichen Güter an die Polizei übergeben, nicht jedoch weitere Bestandteile der Sendung.

Aufgrund des „zunehmenden Handels mit inkriminierten Gütern im sogenannten Darknet unter Nutzung von Postdienstleistern“ verpflichtet der Gesetzesentwurf die Beschäftigten der Postdienstleister nun dazu, es zu melden, wenn „Anhaltspunkte dafür bestehen, dass mit ihnen Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz, dem Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz, dem Arzneimittelgesetz, dem Anti-Doping-Gesetz, dem Waffengesetz oder dem Sprengstoffgesetz begangen werden“. Diese Pflicht wird dem Paragrafen 39 des Postgesetzes hinzugefügt und auf Erkenntnisse beschränkt, die Zuge der erlaubten Aussetzungen des Postgeheimnisses entstehen.

Man kann darüber streiten, ob diese Gesetzesänderung das Postgeheimnis aufhebt oder einschränkt. Die Post selbst begrüßt den Entwurf. Sie betont, schon heute mit den Strafverfolgern zusammenzuarbeiten, um Straftaten aufzuklären, welche die Post als Infrastruktur nutzt. Die Gesetzesänderung schaffe lediglich zusätzliche Rechtssicherheit für eine bereits bestehende Praxis. Allerdings mahnt die Post an, dass die Mitarbeiter nicht die Kompetenz hätten, illegale Güter zu identifizieren, weshalb es kein Bußgeld dafür geben dürfe, wenn hierbei Fehler geschehen.

Tatsächlich geht es wohl zu weit, von einer Verletzung der Grundrechte durch diese Gesetzesänderung zu reden. Allerdings schafft sie Anreize, den Bereich, in welchem das Postgeheimnis ausgesetzt wird, weiter auszudehnen.

III. Geldwäsche

Am 11. Februar hat der Bundestag dem „Gesetz zur Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche“ zugestimmt (Infos und weiterführende Links). Es geht dabei nicht um den Drogenhandel und das Darknet, aber es gibt Berührungspunkte. Anders als das Gesetz zum Postgeheimnis könnte diese Gesetzesänderung Auswirkungen haben, die weit darüber hinausgehen.

Darum geht es: Die bisherige gesetzliche Regelung zu Geldwäsche macht eine Strafbarkeit nur möglich, wenn vorher eine durch einen Katalog klar definierte Straftat vorliegt, beispielsweise Steuerhinterziehung oder Drogenhandel. Der Gesetzesentwurf erklärt dies damit, dass das Gesetz ursprünglich der „Bekämpfung der
organisierten Kriminalität“ diente. In der Folge wurde dieses Gesetz dann „auf die Bekämpfung anderer schwerwiegender Kriminalität ausgeweitet, ohne dass im Einzelfall ein Bezug zur organisierten Kriminalität bestehen muss“.

Der aktuelle Entwurf geht nun noch einen Schritt weiter. Zwar entspreche das deutsche Recht „bereits weitgehend den geldwäscherechtlichen Vorgaben
verschiedener internationaler Rechtsinstrumente“, erklären die Autoren des Entwurfs. Doch „die strafrechtliche Bekämpfung der Geldwäsche [soll] weiter verbessert
werden und dazu soll auch über die internationalen Mindestvorgaben hinausgegangen werden.“ Man möchte es also besonders gründlich machen. Daher soll das Gesetz auf jeglichen Katalog von geldwäscherelevanten Vorstraftaten verzichten und „zukünftig alle Straftaten als Geldwäschevortaten einbeziehen“.

Unter Fachleuten stieß der Entwurf auf gespaltene Reaktionen: Während einige Richter und Staatsanwälte loben, dass die Änderung die Beweisführung erleichtere und Hürden der Strafverfolgung abbaue, kritisieren ihn akademische Juristen und Anwälte. Der Geldwäsche-Paragraf richte sich nun nicht mehr nur noch gegen organisierte, sondern auch gegen geringfügige und mittlere Kriminalität, beispielsweise „Ladendiebstahl und andere Kleinkriminalität, sogar Fahrlässigkeitstaten“. Dies führe „zu einer Zersplitterung der Kräfte und einer weiteren Belastung einer bereits überlasteten Justiz“. Der Gesetzesentwurf sei durch die europäischen Richtlinien nicht gerechtfertigt und „kriminal- und justizpolitisch im Kampf gegen organisierte Kriminalität dysfunktional“.

Der deutsche Anwaltsverein kritisiert die „schiere Uferlosigkeit dieses Vorhabens“, vor allem die Aufnahme der leichtfertigen Geldwäsche. Dadurch drohe „künftig jedem ein Geldwäscheverfahren, der geschäftliche Beziehungen zu Personen oder Unternehmen unterhält, die im Visier strafrechtlicher Ermittlungen stehen.“ Die Unschuldsvermutung wird zur Schuldvermutung, und jeder Einzelne müsse sich im alltäglichen Geschäftsverkehr fragen, ob das Geld des Vertragspartners aus dubiosen Quellen stammme.

IV. Bitcoin

Inwieweit betreffen diese Gesetzesänderungen Bitcoin und die ehrlichen User, die sich von Darknetmarktplätzen und anderen Verbrechen fernhalten?

Das Gesetz bezüglich des Postgeheimnisses dürfte für Bitcoin-User an sich wenig relevant sein. Wenn Sie Drogen im Darknet kaufen, könnte die Gefahr, erwischt zu werden, etwas höher sein als bisher. Dies verstärkt aber lediglich eine schon bestehende Asymetrie der Risiken, bei denen der Dealer aus der Anonymität heraus agiert, während der Konsument mit seinem Klarnamen auftritt. Man sollte generell keine Drogen nehmen, und wenn, dann sollte man sie eher nicht im Darknet kaufen.

Das neue Gesetz könnte jedoch zu mehr Meldungen von Drogenfunden in Postsendungen führen. Dies wiederum würde den vermutlich falschen Befund bestärken, dass der Online-Drogenhandel mithilfe von Bitcoins im Aufschwung sei, was möglicherweise stärkere Restriktionen gegen Bitcoin-User auslösen kann. Die ohnehin schon auf Kriminelles und Negatives fokusierte Perspektive des Gesetzgebers und der Medien könnte sich damit noch weiter verengen. Wirklichkeit ist eben das, worauf man den Blick richtet.

Direkter könnten Bitcoin-User und -Unternehmen die Folgen des veränderten Geldwäschegesetzes zu spüren bekommen. Unternehmen dürften mit noch stärker überlasteten Behörden zu tun haben, welche noch rascher mit dem scharfen Säbel des Geldwäscheverdachts rassen können oder müssen. Falsch angewendet kann das Gesetz die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland im Kryptobereich schädigen.

Usern droht zudem eine wachsende Unsicherheit, wenn sie Zahlungen annehmen. Denn die Historie auf der Blockchain ist transparent. Sollten Sie als User Bitcoins empfangen, welche in Zusammenhang mit irgendeinem Verbrechen stehen, werden sie potenziell in eine Geldwäscheermittlung hineingezogen. Da es bei Bitcoin-Zahlungen dasselbe ist, ob ein Coin fünf (oder hundert) Mal den Besitzer wechselt, oder ob ein Krimineller den Coin vier (oder 99) Mal an sich selbst und dann an jemand anderes überweist, kann im Grunde jede Transaktion den Verdachtsfall auslösen.

Über Christoph Bergmann (2802 Artikel)
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3 Kommentare zu Deutsche Gesetzgeber machen mobil gegen den Darknet-Drogenhandel

  1. „Man sollte generell keine Drogen nehmen, und wenn, dann sollte man sie eher nicht im Darknet kaufen.“
    Das stimmt, zumindest teilweise. Hier hilft nur eins: Legalisieren.
    Der Staat muss als Dealer auftreten und dann soll man, wenn es denn sein muss, dort seinen Stoff beziehen können.

    Bzgl. Geldwäsche sind Banken verpflichtet Verdachtsfälle an die BaFin zu melden.
    Ich habe da schon heute große Bauchschmerzen dabei, denn es ist überhaupt nicht transparent wie so ein Verdacht entsteht.
    Jeder völlig unbescholtene und rechtschaffender Bürger kann jederzeit angezeigt werden und muss sich dann rechtfertigen, warum mal eine größere Überweisung von meinetwegen >20K auf dem eigenen Konto eingeht, obwohl das lediglich Ersparnisse sind, die ewig auf dem Tagesgeldkonto rumlagen…
    Fehlt nur noch, dass das ganz verboten wird.

    Es ist nur noch ein einziges Leben in Angst vor dem Deutschen Staat…

    • …Der Staat muss als Dealer auftreten und dann soll man, wenn es denn sein muss, dort seinen Stoff beziehen können….

      Genau, und dann kriegt die Regierung auch ihre Steuern. Vielleicht geht’s ja genau darum, um die Steuern. Naja in dem Fall auch noch um den Gewinn des Verkaufs.

      Und was die „beschädigten“ Päckchen betrifft, da wird dann jedes Päckchen, was man beschlagnahmen will, zufällig beschàdigt sein, vorher natürlich.

      Rechtsstaat sag ich nur.

  2. Normale, gute Kriminalarbeit ade. Die Regierung muss nur aufpassen, nicht selbst kriminell zu werden. Verdachtslose Totalüberwachung hat jedenfalls nichts mit Rechtsstaatlichkeit zu tun.

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