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SHIBA INU überholt Dogecoin: Was steckt hinter dem 36-Milliarden-Dollar-Memecoin?

"Shibas denken mit. Sie überprüfen die Kommandos ihres Menschen darauf, ob sie aus Shiba-Sicht Sinn ergeben oder nicht. Somit wird das Zusammenleben mit einem Shiba nie langweilig werden. Er fordert uns immer wieder aufs Neue heraus", erfährt man auf shibaclub.de. Bild von Likeaduck via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Dogecoin demonstrierte, was passiert, wenn man ein Meme mit Kryptowährungen verbindet. SHIBA INU legt noch einen drauf und kombiniert ein Meme mit DeFi. Das Ergebnis ist ein vertitabler Raketentreibstoff, der vieles über die verborgenen Beziehungen von Memes, Werten und Dezentralisierung enthüllt.

Vor mehreren Jahrtausenden hat König Krösus rund 10 Tonnen Gold nach Delphi bringen lassen. Die Hohepriesterin des Orakels, die Pythia, sandte ihm dafür eine Weissagung, wie seine Herrschaft verlaufen würde. Diese kurze, auf eigenartige Weise selbsterfüllende Prophezeiung blieb für eine sehr lange Zeit das am teuersten gehandelte Meme der Weltgeschichte.

Krösus und die Pythia hatten instinktiv begriffen, was die von Technologie besessene Kryptoszene gerne übersieht: Memes sind mächtiger als Technologie.

Kryptowährungen sind, heißt es daher manchmal, nur ein Prozent Technologie und 99 Prozent Memes. Das ist vielleicht übertrieben, wenn man Bitcoin oder Ethereum anschaut – aber es dürfte noch untertrieben sein, wenn man den Blick zu Dogecoin und SHIBA INU richtet. Die Coins, beide eine Homage an den “Doge”, jenen im Internet zum Kult gewordenen Shiba Inu, bestehen eher zu 99,99 Prozent aus Memes und zu 0,01 Prozent aus Technologie. Falls überhaupt.

Und dennoch ist Dogecoin einer der langlebigsten Altcoins des Marktes, der sich in diesem Bullenmarkt in die Top-10-Kryptowährungen hochgearbeitet und eine Marktkapitalisierung von gut 36 Milliarden Dollar erreicht hat. Memes sind eben mächtig. Wie mächtig, demonstriert nun SHIBA INU.

Marktkapitalisierung von Shiba Inu (SHIBA) in den letzten 30 Tagen nach Coinmarketcap.com

SHIBA INU wurde im August 2020 gegründet, als ein weiterer Coin, der das Doge-Meme kapitalisiert. Es war schon erstaunlich, dass das einmal funktionierte. Dass der Move ein weiteres Mal zieht, ist beinah lächerlich unwahrscheinlich.

Aber es lief. Anfang des Jahres stieg SHIBA rasant auf, brach dann, von einer Spitze im Mai aus, wieder ein, und begann in den letzten Wochen eine erstaunliche zweite Rally, gegenüber der die erste ins Zwegenhafte schrumpft. In der vergangenen Woche hat SHIBA seinen Preis verdoppelt, in den vergangenen 30 Tagen etwa verzehnfacht. Mittlerweile steht der Coin mit einer Marktkapitalisierung von mehr als 38 Milliarden Dollar auf dem neunten Platz im Ranking der Kryptowährungen und damit vor Dogecoin.

38 Milliarden Dollar – für die Kopie eines Scherz- und Memecoins?

Shiba Inu auf Rang 9 im Ranking der Kryptowährungen auf coinmarketcap.com.

Twitter begeistert oder empört sich, einfach nur, weil es so unwahrscheinlich war, dass es so kam, und weil das Unwahrscheinliche, wenn es wahr wird, ein hübscher Tritt in den Hintern der schnöden, langeweiligen Rationalität des Alltags ist. Besonders im Fokus steht eine Wallet, die im August 2020 für 8.000 Dollar SHIBA-Token gekauft hatte und sie seitdem hielt. Was meint ihr, wie viel diese SHIBA-Token nun wert sind?

Richtig: 5.700.000.000 Dollar. Die SHIBA-Token wurden vermutlich zum erfolgreichsten Investment in der Geschichte der Menschheit. Mit ein paar Tausend Dollar Millionär zu werden, kann (fast) jeder. Echtes Alpha hat, wer damit zum Multimilliardär wird.

Was zum Henker ist da los? Memes sind mächtig – aber so mächtig? Markiert SHIBA INU vor allem, wie sehr die Kryptomärkte in einer Blase sind? Wie absurd Werte an sich sind? Oder stellt SHIBA das Doge-Meme schlichterdings auf eine bessere technische Basis, als sie Dogecoin jemals darstellen konnte?

Alles hängt an Memes und der Verteilung

Um etwas mehr über SHIBA INU zu erfahren, kann man die Webseite ansteuern, das Whitepaper studieren und die Blogbeiträge von Ryoshi, dem Gründer, lesen. Keine der Quellen vergeudet allzu viele Worte an die Technologie – die meisten kein Wort – und zwar schlichterdings, weil es nicht viel darüber zu sagen gibt. SHIBA besteht vor allem aus Memes und ein wenig Ökonomie. Die Technologie ist langweilig und spielt so gut wie keine Rolle. Dass SHIBA nicht so tut, als ginge es um Technologie, macht den Memecoin zu einer der ehrlichsten Kryptowährungen, die der Markt derzeit anbietet.

Das “Woof Paper” erklärt, SHIBA INU sei ein “Experiment des dezentralen, spontanen Community-Buildings”. Die Kryptowährung sollte zu “100 Prozent durch die Community geführt werden.” Dies betont auch Gründer Ryoshi auf seinem Blog: Er sei “schon immer fasziniert gewesen von der dezentralen Genese von Communities. Um präziser zu sein: Zu welchem Grad sie durch unsichtbare Hände gesät und geführt werden, oder ob sie wirklich von Anfang an zu etwas dauerhaftem und zu 100 Prozent der Community gehörenden wachsen, so, wie es bei BTC oder DOGE ohne zentrale Figuren oder Organisationen lief.”

Diese dezentralen Communities spielen eine immer größere Rolle, sowohl bei Kryptowährungen als auch im herkömmlichen Finanzwesen. Ein “Augenöffner” sei es gewesen, als die WallStreetBets-Community die Aktienkurse von GameStop und AMC hochtrieben und damit Hedge Fonds eine Abreibung verpassten. Sie haben, so das Whitepaper, “erprobt, wie man die Kontrolle an Verbraucher und unerfahrene Investoren verteilt.” WallStreetBets demonstrierte die Macht von Memes und wurde selbst zum Meme.

Aber Memes schweben nicht in der freien Luft. Wenn man das Meme der Dezentralisierung vor sich herträgt, so, wie die ShibArmy (so nennt sich die Community) dann muss man es auch ernst meinen. Ein zentralisierter Coin, der mit Dezentralisierung wirbt, kapitalisiert nicht ein Meme, sondern betrügt die Anleger. Daher hat Ryoshi tatsächlich ehrlich dafür gesorgt, dass SHIBA zum Hort einer möglichst dezentralen Community wird. Und er hat das auf eine Weise gemacht, die ein feines Gespür für Memes demonstriert.

“Da es bei Krypto immer um Token geht, denke ich, ganz ehrlich, dass Dezentralisierung eine Sache von Anreizen und der Verteilung der Token ist. Wenn ein mysteriöser Admin 30 Prozent aller Token in einer angeblich ‘verschlossenen Wallet’ hält, dann ist der Admin immer noch zu 30 Prozent für die Community verantwortlich. Das passiert oft.” Daher haben sich Ryoshi und sein Team zum Ziel gesetzt “auf sehr altruistische Weise vom ersten Tag an eine faire Verteilung zu gewährleisten.”

Daher hat Ryoshi keinen Satoshi für das Projekt ausgegeben und auch kein einziges SHIB-Token für sich reserviert. “Jedes Token, das ich besitze, kaufe ich auf dem Markt, so wie jeder andere.”

Durch totale Zentralisierung zu Dezentralisierung

SHIBA Inu sind typische ERC20-Token auf Ethereum. An ihnen ist, technisch, so gut wie nichts besonders. Besonders ist hingegen die Verteilung der Token. Die Hälfte steckte das Team in einen Uniswap-Pool, damit sie als Liquidität zur Verfügung stehen, und warf danach den Schlüssel weg. Die andere Hälfte überwiesen sie an Ethereum-Mitgründer Vitalik Buterin.

Dies ist überraschend: Warum gibt eine Kryptowährung, die dezentrale, führerlose Communities bilden will, die Hälfte der Token an jemanden wie Vitalik Buterin, der durch Ethereum nicht nur reich, sondern irrsinnig reich ist? Der Zug klingt absurd, zeigt aber eine gewisse Weisheit und soziologie Neugier. “Ohne Schwäche gibt es,” erkärt Ryoshi, “keine Größe. Solange Vitalik uns nicht in den Rücken fällt, wird SHIBA wachsen und überleben.” Darum hat Ryoshi, wie später herauskam, nicht nur die Token an Vitalik überwiesen, sondern auch die LP-Token, welche die Liquidität auf Uniswap verwaltet.

Vitalik Buterin besaß also nicht nur 50, sondern 100 Prozent der SHIBA INU Token. Das Projekt, das zu 100 Prozent dezentral sein soll, war zu 100 Prozent zentralisiert. Darin liegt, erneut, eine gewisse Weisheit.

“Während ein Shiba im Haus völlig ruhig und entspannt sein kann, kommt draußen der Urhund zum Vorschein. Er hört nur im Radius von 10 Metern. Ist er weiter entfernt, hat man seine liebe Not zu ihm durchzudringen”, so shibaclub.de über das Wesen des Shiba Inu. Bild von Yuya Tamai via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Darüber hinaus unterstreicht dies den Meme-Aspekt von SHIBA INU. Vitalik Buterin, dieses nageldürre kanado-russische Genie, ist seit Tag eins das Gesicht von Ethereum, und sein Einfluss auf das Projekt wird in der Öffentlichkeit seit jeher gewaltig überschätzt. Vitalik ist, anders gesagt, ein Meme, und SHIBA-INU-Gründer Ryoshi hat alle Karten auf ihn gesetzt.

Und Vitalik hat ihn nicht enttäuscht. Er schuf noch viel größere Memes: Zuerst überwies er eine gewaltige Menge SHIBA-Token – rund 5 Prozent der gesamten Menge – an eine indische Wohltätigkeitsorganisation, die COVID und die Folgen der Krankheit bekämpft. Mit einem Wert von mehr als einer Milliarde Dollar war dies die größte Spende in Kryptowährungen aller Zeiten. Meme Nummero Eins war damit geschafft.

Aber es ging noch weiter. Etwa eine Woche später hat Vitalik 40 Prozent aller SHIBA-Token – gut 410 Billionen SHIBA – verbrannt, also an eine Adresse überwiesen, für die niemand die Schlüssel hält. Diese Adresse ist öffentlich als “Blackhole“, als schwarzes Loch, bekannt. Die 410 Billionen SHIBA waren zum Zeitpunkt der Transaktion rund 7 Milliarden Dollar wert. Heute entsprechen sie 28 Milliarden Dollar. Damit wurde dies zum größten Token-Burn aller Zeiten – vermutlich zur größten Zerstörung von Wohlstand überhaupt – und SHIBA INU hat zwei Fliegen mit einer Klappe erschlagen: Der Coin wurde tatsächlich dezentraler – und er hat mit dem Rekord-Burn Meme Nummero Zwei erreicht.

Die Wette, dass Dezentralisierung dadurch entsteht, dass eine Sache zunächst vollständig zentralisiert ist, ging auf.

Memes mit DeFi besser kapitalisieren

Aber das – die Verteilung, die Memes – kann das wirklich genug sein, um zu rechtfertigen, dass ein Ökosystem mehr als eine Milliarde Dollar wert ist? Geschweige denn 36 Milliarden? Dezentralisierung mag wichtig sein. Aber sie allein kann nicht hinreichend sein, um ein Ökosystem dauerhaft wertvoll zu machen. Noch der größte Grad an Dezentralisierung bleibt eine leere Schale – ein hohles Meme – wenn dem keine echte Ökonomie entgegensteht.

Aber wo ist diese bei SHIBA INU? Man kann nur raten. So versucht die ShibArmy etwa Kunst zu fördern – Kunst, in deren Zentrum erwartungsgemäß der Doge steht – und auch über Amazon.Smile für die Rettung verlorener Shiba Inus zu spenden. Aber das ist lächerlich klein.

Das einzige, was SHIBA INU bisher vorzuweisen hat, sind ShibaSwap sowie zwei weitere Token. ShibaSwap ist eine dezentrale Börse, so ähnlich wie Uniswap oder Sushiswap, auf der man drei Token handeln kann: SHIBA, LEASH und BONE. Diese drei Token kann man auf ShibaSwap selbstverständlich auch in einen Pool geben, um Liquidität zur Verfügung zu stellen. Das ist ein Standard bei Dezentralen Finanzen (DeFi), der SHIBA INU von Dogecoin abhebt, wo es so etwas nicht gibt.

Dabei war die ShibArmy auch relativ kreativ. Wenn man die SHIBA-Token “vergräbt”, werden sie zu xSHIB. Diese xSHIB erhalten einen einen Anteil an den mit neuen Blöcken erzeugten BONE-Token sowie einen Anteil an den Transaktionsgebühren auf ShibaSwap. Ähnlich bei den LEASH-Token. Diese laufen als “Dogecoin-Killer” – Leash heißt übersetzt Leine – und sollten eigentlich an den Preis von Dogecoin gekoppelt werden. Davon kam man aber mittlerweile ab, und sie sind ein simples ERC20-Token, allerdings mit der sehr knappen Auflage von gut 100.000 Exemplaren. Auch die LEASH-Token kann man vergraben, um sie zu xLeash zu machen, welche ebenfalls einen Anteil der neu geschaffenen BONE-Token sowie der Handelsgebühren auf ShibaSwap einfahren.

Damit kapitalisiert SHIBA INU nicht nur, wie Dogecoin, die durch die Blockchain technologisch erzeugte Knappheit. SHIBA INU nutzt auch die Kraft von DeFI. Indem diese es erlauben, Token verzinst aus dem Verkehr zu ziehen, verstärken sie die Knappheit und verhindern, dass allzu viele Token auf den Markt fließen, verkauft werden und den Preis drücken.

Und wie es aussieht, scheint es zu funktionieren. SHIBA INU hat die Kapitalisierung von Memes auf ein neues Level gebracht. Das ganze ist so lächerlich, wie es aussieht – doch der Markt bestätigt das Projekt. Und zwar überreich.

Über Christoph Bergmann (2561 Artikel)
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1 Kommentar zu SHIBA INU überholt Dogecoin: Was steckt hinter dem 36-Milliarden-Dollar-Memecoin?

  1. WOW, was für ein interessante Analyse!
    Habe Doge und Shiba nie gemocht, doch diese coins scheinen die Massen zu Bitcoin zu führen, nicht Defi, wie von mir vermutet.
    Würdest du trotzdem einen Bericht über DeFi 2.0, speziell den MIM token bringen?
    Dieser hat vor kurzem den Maker geflippt, es heißt schon bye bye DAI Dollar in der Degenszene.

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