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Gegen die erweiterte Mitwirkungspflicht des Steuerzahlers bei bestimmten Krypto-Trades

Ich rätsele noch immer, was das Finanzamt geritten hat, die Elster zum Wappentier der deutschen Steuersoftware zu küren. Der Vogel aus der Familie der Raben gilt aus außergewöhnlich intelligent, steht aber auch im Ruf, diebisch zu sein. Bild von Jean and Fred via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Das Bundesministerium für Finanzen möchte, dass sich der Steuerzahler eine erweiterte Mitwirkungspflicht aufbürdet, wenn er auf ausländischen oder dezentralen Börsen handelt. Der Blockchain Bundeverband wendet sich in einer Stellungnahme dagegen. Wieso, warum und was bedeutet das alles?

Der Blockchain Bundesverband hat kürzlich eine Stellungnahme zu einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) veröffentlicht. Darin ging es um die Aufzeichnungs- und Dokumentationspfplichten von Steuerzahlern im Zusammenhang mit Kryptowährungen.

Der Hintergrund ist ein BMF-Schreiben zu „Einzelfragen zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von virtuellen Währungen und von sonstigen Token“. Dieses wurde am 10. Mai 2022 veröffentlicht. Mit ihm gibt „das Bundesministerium der Finanzen den Praktikern in Finanzverwaltung und Wirtschaft, aber auch den einzelnen Steuerpflichtigen einen rechtssicheren und praktikablen Leitfaden zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung nicht nur von Bitcoin an die Hand“.

Das Schreiben ist ziemlich umfassend: „Behandelt werden neben dem An- und Verkauf virtueller Währungen und sonstiger Token insbesondere die Blockerstellung, die bei Bitcoin Mining genannt wird. Daneben beschäftigt sich das BMF-Schreiben mit Staking, Lending, Hard Forks, Airdrops, den ertragsteuerrechtlichen Besonderheiten von Utility und Security Token sowie Token als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.“

Das Schreiben sollte all die vielen offenen Fragen klären, die die Sachbearbeiter in den Finanzämtern plagen. Offenbar gelang dies aber nur zum Teil.

Eine weit ausgreifende Informationspflicht

Denn schon am 18. Juli teilte das BMF in der Branche einen Entwurf für eine Ergänzung „zu Steuererklärungs-, Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten bei virtuellen Währungen und sonstigen Token“. Und um diese wird es in diesem Artikel gehen.

Dieses Schreiben enthält einige bittere Pillen für alle, die mit Bitcoin und anderen Kryptowährungen handeln.

So sollen die Steuerpflichtigen etwa bei Bedarf „begründende Belege für die Ermittlung der Einkünfte anhand von Screenshots oder Ausdrucken“ einreichen. Benutzen sie dabei eine spezielle Software, haben sie eine Verfahrensdokumentation zu schreiben. Dies treibt schon mal den Aufwand der Steuererklärung potenziell in die Höhe.

Darüber hinaus hält das BMF es für zweckdienlich, wenn die Finanzämter Informationen einholen, durch die sie die Angaben des Steuerpflichtigen prüfen können, etwa Wallet-Adressen, Angaben über Handelsplattformen, Wallet-Bestände bis zu bestimmten Stichtagen sowie Angaben zu Transaktionen.

Diese weit ausgreifende Informationspflicht dürfte vielen bereits unangenehm aufstoßen. Wer will schon seine Adressen mit dem Finanzamt teilen?

Doch die Stellungnahme, an der unter anderem Oliver Christian Schroen und Matthias Steger mitgearbeitet haben, kritisiert vielmehr einen anderen Aspekt: Die „erweiterte Mitwirkungspflicht der Steuerpflichtigen.“

Die „erweiterte Mitwirkungspflicht“ des Steuerzahlers

Es geht dabei um den folgenden Umstand: Die Abgabenordnung (AO) erklärt in §90 eine generelle Mitwirkungspflicht des Steuerzahlers. Absatz 2 formuliert zudem eine Art erweiterte Mitwirkungspflich: Wenn sich ein Sachverhalt „auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes bezieht“, stehe der Steuerpfplichtige in der Schuld, „die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen“.

Um diese Beweismittel zu beschaffen, haben die Steuerpflichtigen „alle für sie bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen“. Der Steuerzahler kann sich nicht darauf berufen, „dass er Sachverhalte nicht aufklären oder Beweismittel nicht beschaffen kann, wenn er sich nach Lage des Falls bei der Gestaltung seiner Verhältnisse die Möglichkeit dazu hätte beschaffen oder einräumen lassen können.“ Im Zweifel muss man vermutlich die Unterlagen einklagen.

Das BMF meint nun, dass diese erweiterte Mitwirkungspflicht greift, wenn jemand Token oder Coins über Handelsplattformen im Ausland oder über eine dezentrale Handelsplattform erwirbt.

Für die Steuerzahler bedeutet es, dass die Menge an Daten, die Finanzämter einfordern können, ansteigt. In der Praxis, erklärt Philipp Hornung von cryptotax.lawyer, drohe dadurch, „dass die Finanzämter schneller schätzen dürfen, wenn Daten fehlen sollten.“

Der User ist nicht beweisnäher als das Finanzamt

Der Blockchain Bundesverband wendet nun ein, dass diese Voraussetzungen nicht ausreichen, um eine solche erweiterte Mitwirkungspflicht zu begründen. Er spielt den Ball zu den Finanzämtern zurück.

Eine Blockchain-Transaktion stellt, wie das BMF im Schreiben vom Mai richtig erkannte, lediglich einen Datenbankeintrag in einem „dezentral geführten Kassenbuch“ dar. Da nun sämtliche Transaktionen auf der Blockchain dokumentiert und „überall auf der Welt einsehbar“ sind, argumentiert der Verband, könne es sich gar nicht „um einen Sachverhalt handeln, der sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes bezieht“.

Das Kontobuch wird dezentral geführt, und die Datenbankeinträge werden auch am Standort Deutschland getätigt oder repliziert. Daher ist der Steuerzahler dem Vorgang „nicht beweisnäher als die Finanzverwaltung.“

Der Bundesverband ist überzeugt, dass hier zutrifft, was das Finanzgericht München bereits 2013 urteilte: Wenn sich eine Behörde „mit verhältnismäßigen Mitteln“ Beweismittel verschaffen kann, muss sie diese verwenden. Absatz 90 der Abgabenordnung darf nicht missbraucht werden, um die Arbeit der Finanzbeamten auf die Steuerpflichtigen abzuschieben.

Anders gesagt: Ihr gebt dem Finanzamt eure Adresse, und die Sachbearbeiter müssen dann auseinanderklamüssieren, welche DeFi-Transaktionen ihr gemacht habt oder auch nicht. Das spart euch eine Menge Arbeit und macht sie dem Finanzamt.

Unterschiede von Fall zu Fall

Philipp Hornung wendet nun ein, dass man zwischen den beiden Fällen unterscheiden sollte. Wenn man auf ausländischen Handelsplattformen Coins kaufe, werde in der Regel kein Eintrag auf einer Blockchain vorgenommen, sondern nur intern verrechnet. Hier bringe das Finanzministerium zu Recht eine erweiterte Mitwirkungspflicht in Geltung.

Bei einer dezentralen Börse hingegen lässt sich jede Transaktion auf der Blockchain rekonstruieren, weshalb hier der Vorbehalt gegen die erweiterte Mitwirkungspflicht greife.

Matthias Steger antwortete darauf, dass es bei der Stellungnahme vor allem darum gehe, aufzuzeigen, „dass nicht per se alle Investoren den erhöhten Mitwirkungspflichten unterliegen“. Es gebe klare Fälle, etwa bei Monero oder der Nutzung von Mixern, bei denen das Finanzamt ohne Mitwirkung nicht die „Besteuerung der Transaktionsgewinne“ sicherstellen könne.

Problematisch sei es hingegen, wenn Börsen nicht mehr existierten, wie Mt. Gox, oder nach einem Update vergangene Transaktionen nicht mehr abrufbar halten. Eine volle Mitwirkungspflicht könne unter diesen Umständen nicht erfüllbar sein.

Klar muss aber vor allem eines sein: „Was das Finanzamt mit Offenbarung meiner Coinadresse öffentlich und festgeschrieben sehen kann, muss ich nicht zusätzlich vorlegen oder aufbewahren.“

Ist es allerdings wirklich die goldene Lösung, dem Finanzamt seine Bitcoin- und Krypto-Adressen zu enthüllen?


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7 Kommentare zu Gegen die erweiterte Mitwirkungspflicht des Steuerzahlers bei bestimmten Krypto-Trades

  1. ELektronische STeuerERklärung…

  2. Ich hab nix!

    • Dann wirst Du vom Finanzamt geschätzt, und darfst halt beweisen, dass die Schätzung falsch ist.
      Deswegen wäre es schon nützlich wenn der Blockchain Bundesverband sich mit seiner Ansicht durchsetzt, dann darf nämlich nicht einfach so geschätzt werden.

  3. Diese weit ausgreifende Informationspflicht dürfte vielen bereits unangenehm aufstoßen. Wer will schon seine Adressen mit dem Finanzamt teilen?

    Dürfte einem Monero User nicht schwer fallen, die Adressen tauchen auf der Blockchain ohnehin nie auf…
    Hört sich dann auch nach einer Menge Spaß für den Finanzbeamten an, dem man ggf. Transaktionsbasierte View-Keys und Key Images als Ausdruck hinterlegt und damit seiner Nachweispflicht weitestmöglich nachkommt, diese sind dann in der Wallet bzw. öffentlichen Tools überprüfbar, vorausgesetzt man tippt jeden Key korrekt ab.

  4. nichtsosschwer // 20. September 2022 um 16:01 // Antworten

    Es ist eigentlich sehr einfach. Was nicht steuerbar ist, ist nicht erklärungspflichtig. Am einfachsten einmal Bitcoin kaufen, erst nach mehr als 1 Jahr als Zahlungsmittel nutzen und stetig mindestens die ausgegebene Summe nachkaufen. Dann ist man fein raus.
    Dann gibt es nur noch Aufbewahrungspflichten für die Unterlagen. Der steuerehrliche Bürger mit aktivem Handel erstellte ein einfaches Handelstagesbuch wie auch beim Handel mit Wertpapieren – allein schon um selbst die Übersicht zu wahren. Anschließend fertigt er eine Übersicht der realisierten Gewinne und Verluste mit Veweis auf die Zeilen der Anlage in der Steuererklärung aus, legt alle Auszüge aus den Handelsplätzen bei und dann hat er alles getan was er muss. Genau genommen müssen die Belege erst auf Anfrage geliefert werden, aber wer hat schon Lust auf die kurzen Fristen der Ämter. Das Finanzamt kann dann ja mal versuchen das Gegenteil zu beweisen und das muss es auch, eine abweichende Schätzung muss sehr gut begründet werden.
    Tatsächlich wird der Finanzbeamte in den seltensten alles prüfen, denn die Übersicht macht es den dort angestellten Mitarbeiterinnen doch so schön bequem.

  5. Grund für die Finanzämter der EU sich solche Strapazen zu ersinnen, sind übrigens Menschen, die sagen, haha, dann mach ich das so, sollen die mir das erstmal beweisen.

    Die in solchen Fällen fast übliche Beweislastumkehr – wenn viele allzu schlaue Menschen darüber prahlen, wie sie das Finanzamt austricksen – ist gesellschaftlich auch sehr gut durchsetzbar, denn all diesen schlauen Menschen gefällt es am Ende genauso wenig, wenn nicht sie selber, sondern die blöden Nachbarn sich auf diese Weise um die Sozialabgabe drücken können.

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