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PayPal startet Dollar-Stablecoin – aber warum nur?

Der Online-Zahlungsdienstleister legt einen Stablecoin auf der Ethereum-Blockchain auf. Das Token soll das Web3 mit dem Online-Handel verbinden, und es hat gute Chancen, dies zu leisten. Aber was konkret hat PayPal davon?

Seit gestern legt PayPal den PayPal USD (PYUSD) auf. Dieser Stablecoin läuft als ERC20-Token auf der Ethereum-Blockchain. Er ist zu 100 Prozent mit Dollar, kurzfristigen US-Staatsanleihen und anderen cashähnlichen Assets unterlegt und kann 1:1 gegen Dollar eingelöst werden.

Herausgeberin der PYUSD ist Paxos, ein vollständig reguliertes New Yorker Unternehmen, das vor allem für den Stablecoin BUSD bekannt ist, der eng mit der Börse Binance verbunden war. Wegen ihm wurde Paxos von der Börsenaufsicht SEC verklagt.

PayPal bringt den PYUSD sukzessive in die Wallets der US-Kunden. Diese können ihn an andere PayPal-Kunden, aber auch externe Wallets senden, mit ihm online bezahlen und gegen jede andere Kryptowährung, die PayPal unterstützt, eintauschen. Man kann mit dem PYUSD also dasselbe machen wie mit herkömmlichen Dollar.

Der Stablecoin, erklärt die Pressemitteilung, baue Reibungen ab, erlaube schnelle Transfers von Werten zu Freunden und Verwandten und so weiter. Aber aus Kundensicht geht nichts davon geht über das hinaus, was Dollar im Konto schon heute können.

Das führt zur Frage: Warum? Was außer Verwirrung bringt der PYUSD?

Der Zwang zur Interoperabilität

Als ERC-Token auf Ethereum, fährt die Pressemitteilung fort, werde der PayPal-Dollar „einer bereits großen und wachsenden Community externer Entwickler, Wallets und Web3-Anwendungen zur Verfügung stehen und kann einfach von Börsen integriert werden.“

Damit kommen wir einer Antwort ein Stück näher, auch wenn sie verwirrend ist: Der Stablecoin ist interoperabler als Dollar auf der Bank. Er ist ruck-zuck auf anderen Wallets, auf Börsen und in dezentralen Apps (Dapps).

Aber was hat PayPal davon? Eigentlich ist es Politik des Unternehmens, ein möglichst abgeschlossenes Ökosystem zu bilden. Schon mit der Integration von Bitcoin in (US-)Wallets öffnete sich PayPal jedoch, als es erlaubte, Bitcoins auch auf externe Wallets zu senden. Mit dem Stablecoin treibt es diesen Ansatz offenbar weiter.

Handelt PayPal also eher aus der Defensive? Zwingt Krypto es dazu, die eigenen Mauern einzureißen, nicht mit Begeisterung, aber aus Einsicht in das Notwendige?

Vollständig Web3-kompatibel

Eine mögliche weitere Erklärung finden wir einen Absatz weiter: „Der Großteil des gegenwärtigen Volumens von Stablecoins,“ erklärt die Ankündigung, „geschieht in einer Web3-spezifischen Umgebung.“ Mit dieser werde der PYUSD vom ersten Tag an kompatibel sein.

Das ist der Moment, ab dem die Meldung beginnt, schwindelerregend groß zu werden.

PayPal würde dies nicht schreiben, wenn der PYUSD nicht mit den vielen Web3-Apps funktionieren würde. Dazu muss er wie ein herkömmliches ERC-Token funktionieren, ohne Whitelists oder sonstige Haken, die die Integration in ein offenes Ökosystem der Dapps erschweren oder unmöglich machen.

Die PYUSD sind wie andere Stablecoins – mit dem einen attraktiven Unterschied, dass man mit ihnen in so gut wie jedem Onlineshop der Welt bezahlen kann.

Das ist phantastisch. Doch ganz geht die Geschichte noch nicht auf.

Großartig oder großartiger?

In gewisser Weise verzwergt sich PayPal mit dem PYUSD zu einer Web3-Wallet unter vielen. Um genau zu sein: zu einer der schlechtesten Web3-Wallets unter vielen. Kein Export und Import von Schlüsseln, keine Verbindung zu Web3-Apps, keine Rollups und Sidechains, keine freie Auswahl an Token.

Wer etwas mit dem PYUSD machen will, was der Dollar im PayPal-Account nicht kann, muss ihn also zunächst auf externe Wallets überweisen, so wie Metamask, Enkrypto oder viele andere. Eben diese Wallets macht der PYUSD dank seiner Akzeptanz dagegen besser.

Warum sollte PayPal das tun? Es wirkt beinahe altruistisch: PayPal schenkt dem Web3-Ökosystem einen starken Stablecoin – der aber den eigenen Kunden vor Augen führt, wie unzureichend die PayPal-Wallet ist.

An der Stelle eröffnen sich zwei Erklärungen, von denen die eine groß und die andere großartig ist. Die große Erklärung ist die, dass PayPal das Businessmodell von Tether nachahmt: Ein Stablecoin ist hochprofitabel, wenn er mit Staatsanleihen und andere verzinsten Assets gedeckt wird. Damit profitiert PayPal auch dann, wenn die Leute den Stablecoin mit anderen Wallets verwenden. Das Geschäftsmodell von Stablecoin belohnt denjenigen, der sich nach außen öffnet. Es fördert Kooperation anstatt Egoismus.

Noch großartiger ist aber eine andere Erklärung: dass PayPal plant, selbst zu einer vollwertigen Web3-Wallet zu werden. Also zu einer Wallet, die man mit Dapps verbinden kann, die beliebige Token erkennt und den Export von Schlüsseln erlaubt. Dorthin dürfte es noch ein weiter Weg sein, der sukzessive zu gehen ist. Aber es gibt keine bessere Aussicht, um dezentrale Finanzen in den Mainstream zu bringen als den PayPal-Dollar. Er könnte der entscheidende Hebel werden.

Unabhängig davon, welche konkreten Ziele PayPal verfolgt: Die Auflage eines Stablecoins auf Ethereum zeigt deutlicher als alles andere, dass PayPal bereit ist, sich den Regeln von Krypto zu unterwerfen, um auch in Zukunft mitspielen zu können.

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6 Kommentare zu PayPal startet Dollar-Stablecoin – aber warum nur?

  1. Schöner Artikel. Sehe ich ganz ähnlich. Wer sich Paypals’ Aktienkurs anschaut, erkennt, dass das Unternehmen unter Druck steht.
    Ich reibe mir aktuell ohnehin die Augen, wie wenig Kursausschläge es kurzfristig bei Bitcoin nach oben und nach unten gibt. Sieht so aus, als ob Big Money immer stärker den Ton bei Bitcoin angibt (egal ob von Bitcoin gewollt oder nicht). Ich weiß nicht ob die eventuell bevorstehende Genehmigung von Bitcoin ETFs da eine Rolle spielt, aber ich glaube, Krypto wächst gerade in eine Größenordnung hinein, von der es bisher nur geträumt hat.

  2. Ja, war auch schon mein Gedanke – was drückt die Aktienkurse aller Zahlungsdienstleister (auch Visa und Mastercard haben nicht mehr die alte Dynamik). Sollte das schon die Konkurrenz von Crypto sein?

    Jedenfalls scheint der Begriff “Web 3” (inklusive Crypto) unter den Mächtigen in der Branche zum alltäglichen Vokabular zu werden.

  3. “Dazu muss er wie ein herkömmliches ERC-Token funktionieren, ohne Whitelists oder sonstige Haken”

    Leider nicht!

    https://twitter.com/BitcoinNewsCom/status/1688665649642397696?s=20

    • Mh, das haben USDT und USDC auch. Daran führt vermutlich kein Weg vorbei (weshalb Stablecoins auch niemals so autonom wie native Blockchain-Token oder dezentrale Stablecoins wie DAI sein werden).

      Whitelists wären was anderes, weil sie die Einbindung in DeFi-Protokolle unmöglich machen oder erschweren würden.

  4. Paypal ist doch das Unternehmen, das sich in seinen Nutzungsbedingungen das Recht einräumt, 2.500$ des Kunden einzuziehen, wenn dieser aus Paypal’s Sicht im Netz Desinformation verbreitet.
    “Großartig” wäre sicherlich, wenn Paypal’s Nutzerbasis den Unterschied zwischen Bitcoin und diesem Shitcoin verstehen lernt und anschließend Paypal den Rücken kehrt…

  5. Meine Vermutung wäre eher, dass sich PayPal mittelfristig als vertrauenswürdige On-/Off-ramp etablieren will und dort seinen Zehnten holt.

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