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Ist das noch Forschung oder schon ein Angriff?

Alte Minen sind zwar nicht das passendste, aber das hübscheste Motiv, um das Bitcoin-Mining zu illustrieren. Hier eine Zeche bei Bochum, aufgenommen von x1klima, geteilt über flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Die EU möchte erforschen lassen, wie groß der ökologische Schaden durch das Bitcoin-Mining ist – und wie man ihn mildert. Manche sehen darin bereits einen Angriff. Das muss es aber nicht sein.

Wie BTC-Echo jüngst berichtete, startet die EU einen „neuen Angriff auf Bitcoin“. Dabei geht es um eine Ausschreibung für ein Forschungsvorhaben, das „immense Implikationen“ nehmen könne, nämlich die Überregulierung von Bitcoin und Bitcoin-Mining im EU-Raum.

Die Ausschreibung ist vom Generaldirektorat für Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und den vereinigten Kapitalmarkt der EU-Kommission. Sie trägt den Titel „Entwicklung einer Methodologie und eines nachhaltigen Standards um die ökologischen Folgen von Krypto-Assets zu mildern.“ Die Ausschreibung ist mit 800.000 Euro ausgestattet.

Es gebe, so der knappe Text, „Beweise, dass Krypto-Assets signifikanten Schaden für die Umwelt und das Klima sowie negative ökonomische und soziale Externalitäten verursachen können, abhängig vom Konsens-Mechanismus, durch den Transaktionen validiert werden.“ Da es laut EU einen „steigenden Bedarf nach Krypto-Assets“ sowie eine „Ausweitung des Krypto-Minings“ gebe – auch in der EU! – könne dies die Klimaziele der EU unterminieren. Daher solle die Fähigkeit der EU verbessert werden, „die Folgen des Krypto-Minings abzuschätzen, zu mildern und spezifische Standards der Nachhaltigkeit zuaber entwickeln“ – auch vor dem Hintergrund einer künftigen Krypto-Regulierung.

BTC-Echo-Chefredakteur Sven Wagenknecht beklagt, dass die EU laut der Ausschreibung ja schon wisse, dass bestimmte Kryptowährungen umweltschädlich seien. Konkret sei damit offenbar Bitcoin gemeint, der kapitalmäßig einzig relevante Proof-of-Work-Coin. Die Forschung solle vor allem dem „Anti-Bitcoin-Lager“ in der EU neue Nahrung verschaffen. Dementsprechend erwartet Wagenknecht, dass den Zuschlag der Ausschreibung keine ergebnisoffenen Projekte erhalten werden, sondern die Institute, „die eine kritische Haltung gegenüber Bitcoin vertreten“, es sich also eher um eine Auftragsarbeit handele.

Ich persönlich bin mir nicht sicher, ob BTC-Echo hier nicht etwas übers Ziel hinausschießt. Es ist an sich nicht verwerflich, dass die EU eine Studie zum ökologischen Fußabdruck von Bitcoin ausschreibt, und ich denke, man liest zu viel in die einleitende Zeile hinein, wenn man daraus eine Auftragsarbeit ableitet. Es gibt selbstverständlich Beweise, dass Bitcoin-Mining ökologische negative Folgen hat. Man muss schon sehr dichte Scheuklappen haben, um diese Tatsache auszublenden.

Klar ist ebenfalls, dass Bitcoin-Mining in Zeiten eines sich beschleunigenden Klimawandels und einer (angeblichen, politisch stark instrumentalisierten, gefühlten) Stromknappheit unter einem verschärften Legitimationsdruck steht. Laut dem Cambridge Bitcoin Electricity Consumption Index verursacht Bitcoin etwas mehr Treibhausgase als Ungarn, was, selbst wenn die tatsächlichen Werte tiefer liegen, keine kleine Nummer ist und ohne jeden Zweifel einen ökologischen Schaden verursacht. Nicht einberechnet dabei sind sekundäre Kosten, etwa Lüfter, Full Nodes sowie Produktion und Entsorgung von Mining-Hardware.

Dass die EU hierbei eine Studie beauftragt, die die Problematik exakt misst, ist zwar unnötig – es gibt mit Cambridge, dem Digiconomisten und Batcoinz bereits drei kompetente Analysten – aber an sich durchaus nützlich. Die Frage ist freilich, wie fair diese Studie ausfallen wird. Wird sie das, was bereits seit Jahren betrieben wird, nochmal neu erfinden, nämlich die Messung von Stromverbrauch und CO2-Ausstoß des Minings? Oder wird sie darüber hinausgehen und etwa berücksichtigen, dass die kommenden Halvenings den Stromverbrauch senken werden, noch bevor eine EU-Regulierung irgendeinen Einfluss nehmen kann? Wird sie anerkennen, dass das Bitcoin-Mining je wertgeschöpftem Euro eine vergleichbar saubere Branche ist? Wird sie Bitcoin-Investments mit Investments in sagen wir Ölkonzerne und Autombolbauer vergleichen? Wird sie über Methoden nachdenken, wie Bitcoin-Mining die Energiewende vorantreiben, Grünstomnetze stabilisieren und Deponiegas abbauen kann? Wird sie Bitcoin in den Kontext anderer Branchen stellen, etwa Viehaltung und Tourismus, die sehr viel größere Schäden anrichten?

Die entscheidende Frage wird jedoch sein, was aus der Studie folgt. Sven Wagenknecht fürchtet, dass die EU beispielsweise „Bitcoin Mining verbieten, eine Umweltsteuer auf BTC-Transaktionen erheben oder Unternehmen wie beispielsweise Börsen vorschreiben [kann], nur Bitcoin aus grüner Erzeugung zum Handel anzubieten beziehungsweise für Dienstleistungen zu nutzen.“ Dies allerdings hängt erfahrungsgemäß nicht wirklich von einer Studie ab.

Die EU-Kommissare, die gegen Bitcoin sind, brauchen keine Studie, um den Energieverbrauch von Bitcoin zu beklagen. In China hat die Regierung auch eine Studie zum Mining beauftragt, die dann auch gar nicht so negativ ausfiel und einige interessante reguliatorische Vorgehensweisen ins Spiel brachte, nur um bald darauf Mining trotz allem komplett zu verbieten, da es angeblich Chinas Klimaziele gefährde. Die Folge war zwar, dass das Mining (kurzfristig) aus China verschwand, aber sich stattdessen in Kasachstan, Russland und den USA niederließ, wo es sich oft aus Kohlekraft anstatt wie vorher aus Wasserkraft speiste. China machte es sich selbst zwar möglicherweise einfacher, seine Klimaziele gemäß Pariser Abkommen zu erfüllen – die weltweiten Klimaschäden durchs Mining sind aber eher gestiegen.

Man kann hoffen, dass die EU nicht diesem nationalegoistischen Weg des „Paris um jedes Preis“ folgt. Wenn es wirklich ums Klima ginge, sollte eine objektive Studie die EU drängen, die Bitcoin-Miner um jeden Preis an Windparks, Photovoltaik-Farmen und Wasserkraftwerke in der EU anzuziehen. Eine Mischung aus ökologischer Regulierung und Subventionen für strategisches grünes Mining sollte der Königsweg sein.

Bitcoiner hingegen sollten weniger beklagen, dass die EU über ökologische Schäden besorgt ist, sondern stärker selbst aktiv werden, um den ökologischen Fußabdruck des Minings abzubauen. Denn je länger die Dekarbonisierung des Minings auf geringem Maß stagniert – oder sogar rückläufig wird – desto stärker wird Bitcoins Proof of Work ein Legitimationsproblem haben.

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8 Kommentare zu Ist das noch Forschung oder schon ein Angriff?

  1. Multiakademiker@gmx.de // 5. Oktober 2023 um 14:26 // Antworten

    Hat man den “ökologischen Schaden ” der soeben sehr intensiv verkauften Riesigen SUV in den USA untersucht bzw den Ausstoß der täglich weltweit ins Meer entsorgten Autos?

    Hinweis:
    Meereskraftwerke tun Wunder.

    Hinweis:
    Man zerstörte absichtlich die Langlebigkeit von Glühbirnen ab dem Markteintritt.
    Man stellt Gesetze auf GEGEN die Verteilung von Nahrungsmitteln aus Großküchen und Kantinen!

    …. Nur mal um den Istzustand zu erwähnen.

    Verbesserungen: ja
    Dann aber für jeden Bereich…

    Man könnte auch ein Verbot von Verkauf der PCs Smartphones etc machen gegenüber Privaten Personen.
    Da wäre die Reduzierung von Strom gewaltig…

    Ideen füllen mehrere A4 Seiten…

    2 Milliarden Menschen fliegen pro Jahr ohne Zuckungen mit dem Flugzeug!

    Habe 2 Milliarden Menschen noch nie zusammen auf einem Grundstück gesehen…

    Der Zwang dreckige Dampfer zu belegen mit 6000 Insassen…. stehend im Ozean die Haie und Wale die Orientierung zu nehmen… ist gesetzlich verpflichtend festgelegt…

    Vielleicht das Internet abbauen was wir Eliten “die Irren ” einst aufgebaut haben (?)

    Vielleicht Energie Ingenieure hart an der Idee arbeiten lassen? Ich denke ja!

  2. WordPress leider kaputt.
    Keine neue Kommentarzeile mehr mit Enter …

  3. ” …sagen wir Ölkonzerne und Autombolbauer…” Was, zum Kuckuck, sind
    Autom-bol-bauer?

  4. Wolfgang Lohmann // 5. Oktober 2023 um 21:37 // Antworten

    Lei, Masanet, Koomey (2021): Best practices for analyzing the direct energy use of blockchain technology systems: Review and policy recommendations. Energy Policy
    Volume 156, September 2021, 112422, https://doi.org/10.1016/j.enpol.2021.112422 : Schaut auf mehrere dieser Studien. Gibt noch ähnliches. Digiconomist ist zwar kompetenter als eine Reihe anderer, aber er führt einen privaten Feldzug gegen Bitcoin. Nicht die beste Voraussetzung für Wissenschaftler. Er lässt sich nicht auf meine akademische Diskussionen ein. Dabei hätte er von einer Verbindung zu Koomey durchaus profitieren können.
    Darüber hinaus greifen Untersuchungen in Bezug auf Energie zu kurz (Alex bezieht Hardware mit ein). Nachhaltigkeit >> Umwelt >> Klima. Und auch dort muss man noch die Frage klären, ob man nur die direkten oder auch die indirekten oder gar systemischen Folgen beurteilt. Meist bleibt man bei Punkt 1. Aber nach der Perspektive müsste man auch Rechenzentren abschaffen. 😉

  5. Paul Janowitz // 6. Oktober 2023 um 8:43 // Antworten

    @Multiakademiker
    Whataboutism bringt uns auch nicht weiter. Dass Glühbirnen von einem Kartell eine künstliche Obsoleszenz hatten, tut nichts zur Sache. Seit ich vor Jahren auf LED umgestiegen bin, hatte ich lediglich anfangs mit dimmbarem Ersatz Probleme, aber auch die sind mittlerweile langlebig.

    Bei ASIC-Mining muss man zwingend die Hardwareentwicklung, -produktion und -verschrottung in die Bilanz einfließen lassen, denn die Hardware ist nach 2-3 Jahren nicht mehr effizient genug, um mit neuerer zu konkurrieren und kann außer einer bestimmten Hash-Funktion nichts anderes und ist Elektroschrott. Je nach Kursentwicklung kann diese Bilanz schlecht bis verheerend aussehen.

    Man sollte deshalb durchaus zu GPU- und insbesondere CPU-only Coins differenzieren, denn gerade letztere sind selbst bei “kostenlosem” Strom bei expliziter Anschaffung der Hardware kaum profitabel, da sie mit den Unmengen an vorhandener Hardware weltweit konkurrieren müssen. Sollte sich ein entsprechender Market-Cap entwickeln, könnten insbesondere Firmen mit unzähligen Rechnern, die zu (Wind-)Stromspitzen nachts dazu beitragen, diese fast kostenlos abzunehmen und dabei noch einen Profit zu erwirtschaften, aber auch ich als Privatanwender würde gerne meine Hardware anschmeißen, sobald der Spotpreis z.B. unter 8 Cent fällt. Global gesehen dürfte die Hashrate trotzdem stabil bleiben, die Proportionen der Herkunft dürften lediglich schwanken und bei einer Blockchain wie z.B. Monero, die jeden Block eine stetige Difficulty Anpassung basierend auf den letzten 720 Blöcken hat, wobei jeweils die 60 höchsten / niedrigsten gekappt werden, also effektiv 600 Blöcke oder ca. 20 Stunden selbst bei einer globalen Dunkelflaute keine großartigen Effekte auftreten sollten.
    Kürzlich hat Bitmain den ersten RandomX “ASIC” veröffentlicht, der erste, der herkömmliche CPUs verbaut hat, wenn auch aus eigener Herstellung. Allerdings ist er nicht effizienter als moderne AMD Ryzen oder EPYC Prozessoren.

    @Wolfgang Lohmann
    Ja, auch den Fußabdruck von Rechenzentren kann man senken, indem man z.B. Bot-Traffic auf seinen Webseiten blockt, der oft mehr als 50% ausmacht, indem man Inhalte, die man ins Web stellt optimiert/komprimiert usw. – hierfür gibt es unzählige Tools und es gibt immer noch unzählige Seiten, die beim Aufruf der Startseite mehrere Hundert Requests an verschiedene Server benötigen und die Gesamtgröße eines Pageloads 10MB übersteigt. Es geht nicht um Einschränkung der freien Meinungsäußerung, auch wenn >90% der Inhalte die geistige Schöpfungshöhe einer KI nicht überschreiten dürften, lediglich die Optimierung des Resourcenverbrauchs. Die größten Verursacher wie “soziale” Netzwerke tun das alleine aus Kostengründen, aber bei unzähligen kleineren gibt es viel Potenzial nach oben.

    • Wolfgang Lohmann // 6. Oktober 2023 um 9:21 // Antworten

      Rechenzentren waren einfach nur ein Beispiel dafür, dass die Beschränkung des Bewertungskontextes nicht hilfreich ist im Kampf gegen den Klimawandel. Die Effizienz wird seit Jahren verbessert, insbesondere Kühlung/Infrastrukturkosten boten in den letzten Jahren großes Potenzial. Dennoch werden große Mengen Energie benötigt. Jedoch, der Punkt ist, dass (zumindest beim Kenntnisstand von vor 10 Jahren) das Einsparpotenzial von CO2e durch IKT das 9-12fache ihres eigenen Fussabdruckes betrug. Für eine Bewertung einer Technologie muss es darum gehen, den Gesamtnutzen für die Gesellschaft/Umwelt abzuschätzen. Die reine Fokussierung auf direkt verbrauchte Energie/HW greift eben zu kurz und kann zu falschen Schlussfolgerungen führen.

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