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„Wirtschaftsliberale Parteien wie SVP und FDP sind eh pro, die anderen auch oder neutral.“

Das Bundeshaus in Bern ist der SItz des Schweizer Nationalrats. Bild von Martin Abegglen via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Am Sonntag wählt die Schweiz den Nationalrat. Was Krypto angeht, sind alle Parteien offen und dafür. Doch es gibt einige Unterschiede im Detail.

In der Schweiz wird am Sonntag der Nationalrat gewählt. Ich habe nicht vor, hier in die Mysterien des einzigartigen Schweizer politische Systems einzutauchen, sondern möchte lediglich darauf eingehen, welche Rolle Bitcoin und andere Kryptowährungen dabei spielen.

Maximal ist vor allem der Unterschied zu Deutschland, ob bundes- oder landespolitisch. Hierzulande erwähnen Politiker Bitcoin und Krypto in der Regel nicht, und wenn sie es tun, dann wünscht man sich meistens, sie hätten es gelassen, da meist noch nicht mal Finanz- oder Digitalpolitiker wissen, wovon sie reden. In der Schweiz kommt das Thema zumindest vor, so gut wie jede Partei nimmt Stellung, und viele Politiker halten Kryptowährungen und demonstrieren eine Kompetenz, die man im deutschen Bundestag lange suchen muss.

Politiker in der Schweiz kennen sich nicht nur besser aus, sondern sie sind auch tendenziell offener. Während die Volksvertreter in Deutschland vor allem Risiken betonen und in Regulierungs- und Verbotsphantasien schwelgen, sehen Schweizer Politiker aller Parteien eher die Chancen und lehnen Verbote vehement ab.

Für Lucas Betschard von der Schweizer Bitcoin Association und 21Analytics spielt das Thema hingegen keine starke Rolle in der Politik. „Wirtschaftsliberale Parteien wie SVP und FDP sind eh pro, die anderen auch oder neutral.“ Alle Parteien im Parlament stimmen für Bitcoin, Krypto und Blockchain. Daher will er keine einzelnen Parteien oder Politiker kommentieren. „Es ist besser, wenn Bitcoin breiten Support hat, anstatt dass wir einzelne Parteien bevorzugen und andere vergraulen.“

„Die Unterjochung der marxistischen Zentralbanken abwerfen!“

Neutral bleibt auch das Crypto Valley Magazin. Es hat schon 2022 eine Umfrage mit allen Parteien zum Thema gemacht und diese kürzlich zur Wahl aktualisiert.

Am weitesten geht die Liste „Massvoll“, eine populistische Partei, die vor allem aus der Kritik an den Corona-Maßnahmen entstand, und bei denen kaum ein Satz ohne doppeltes Ausrufezeichen vorstellbar ist.

Man könnte sagen, die Liste Massvoll hat mehr als eine orangene Pille geschluckt und ist tief in den Kaninchenbau hinabgestiegen. Sie fordert in ihrem Wahlprogramm, Bitcoin zum gesetzlichen Zahlungsmittel zu machen. Vorstandspräsident Nicolas A. Rimoldi brüstet sich damit, einen Lightning-Node zu betreiben und verlangt durch Bitcoin „dem Staat und seinen Zudienern die Machtmittel [zu] entreissen.“ Nationalratskandidat David Heggli meint, er habe tausende Stunden in Bitcoin und Blockchain investiert; er möchte „die Unterjochung der marxistischen Zentralbanken abwerfen“, indem er eine „quelloffene, vollständig private, dezentralisierte Blockchain wie Monero oder noch sicherer Pirate Chain“ verwendet. Ansonsten sei „die totalitäre, technokratische Machtübernahme der Rockefeller Foundation & Co. nicht mehr abzuwenden.“

Während die Liste Massvoll hofft, in den Nationalrat einzuziehen – und ihr auch brauchbare Chancen zugeschrieben werden – stellt die nationalkonservative SVP derzeit die meisten Räte. Von ihnen haben sich mehrere Vertreter, etwa Benjamin Fischer oder Lukas Reimann, bereits mit Kryptowährungen beschäftigt und besitzen welche. Ein Verbot lehnen sie vehement ab, in ihrer Politik genießt das Thema eine mittlere bis hohe Priorität, auch wenn sie bei konkreten Absichten vage bleiben.

Weniger tief im Thema sind dagegen die Sozialdemokraten. Der Ständerat Carlo Sommaruga bekennt, sich noch nicht viel mit Kryptowährungen beschäftigt zu haben, fordert aber eine strengere Aufsicht, um Geldwäsche zu verhindern. Sein Fokus darauf, sich bei bestenfalls rudimentärem Wissen in die Risiken zu verbeissen, ähnelt dem seiner deutschen Kollegen. Skepsis überwiegt auch bei den Grünen. Nationalrat Andrey Gerhard ist zwar auch gegen ein Verbot, kritisiert aber den ökologischen Fußabdruck des Minings. Er ist Realist genug, um zu erkennen, dass ein Mining-Verbot in der Schweiz nicht viel bewirken wird, möchte aber ökologische Aspekt in die Regulierung einfließen lassen, in der Art einer CO2-Steuer für Holder. Insgesamt erhofft er sich von Kryptowährungen jedoch ein resilienteres Finanzsystem.

Freundlich bis enthusiastisch

Anders sieht es bei der Schweizer FDP aus. Nationalrat Andri Silberschmidt ist Gründungsmitglied der Swiss Blockchain Federation und besitzt selbst diverse Kryptowährungen. Er hält aber die bisherige Gesetzgebung, an der er mitgewirkt hat, für weitgehend ausreichend. Ein Bitcoin-Verbot lehnen er und seine Parteikollegen selbstverständlich ab.

Von der Mitte nimmt Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter Stellung, bleibt aber äußerst wortkarg. Sie lehnt ein Verbot ab und meint, man müsse die Chancen nutzen.

Die Grünliberalen räumen dem Thema eine geringe Priorität ein, sind aber auch gegen ein Verbot. Stärker zum Thema positioniert sich der Nationalratkandidat Samuel Kullmann, der für die Eidgenössisch-Demokratische Union (EDU) antritt. Er erzählt, er habe sich mehrere tausend Stunden mit Bitcoin beschäftigt und meint, ein Bitcoin-Standard könne bei der Lösung der schwerwiegenden Probleme des Finanzsystems helfen.

Insgesamt hat die Branche also wenig Überraschungen von der Wahl am Sonntag zu erwarten. Der Nationalrat wird, so oder so, kryptofreundlich besetzt sein. Kaum eine Partei kann es sich leisten, gegen die starke Krypto-Branche in der Schweiz anzutreten. Die einzige offene Frage wird sein, ist, ob die Abgeordneten nur freundlich oder auch enthusiastisch sind, oder mit der Liste Massvoll auch die Forderung in den Nationalrat einziehen wird, Bitcoin zum gesetzlichen Zahlungsmittel zu machen, und welchen Anteil die vorsichtig kritischen Stimmen von Grünen und Sozialdemokraten spielen werden.

Der Krypo-Standort Schweiz bleibt, so viel kann man schon mal sagen, stabil.

Über Christoph Bergmann (2813 Artikel)
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