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Krypto-Anarchisten und Kryptoanarchisten

Cypherpunk

"PacMan" - von: Keep Bitcoin Real via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Der Bitcoin ist politisch und ohne Politik nicht denkbar. Er steht für Freiheit, sowohl finanziell als auch virtuell. Im gegenwärtigen Kampf um das Netz, der darüber entscheiden wird, ob das Internet den Bürgern oder den Geheimdiensten gehört und ob Anonymität im Netz eine Grundfunktion oder ein Bug ist, steht der Bitcoin klar auf Seiten der Privatheit und der Bürger. Es geht letzten Endes um Kryptoanarchie. Mattheus von Guttenberg hat für das Bitcoin-Magazine einen Artikel über diese Bewegung geschrieben, Stefan Rehm hat ihn für das Bitcoin Blog übersetzt. Vielen Dank dafür!

Das Wort „Krypto“ stammt vom Griechischen kryptós und bedeutet „verborgen“ oder „geheim“. Kryptozoologie ist die Wissenschaft von versteckten und seltenen Tieren, Kryptographie beschäftigt sich mit versteckten oder geheimen Schriften usw. Heute bezeichnet die Verwendung der Vorsilbe „Krypto“ für gewöhnlich eine verborgene Identifikation. Während sich heutzutage nur wenige Menschen öffentlich zu Anhängern der Ideale des Faschismus bekennen würden, ist es nicht ungewöhnlich, dass sich Menschen selbst als „Krypto“-Faschisten bezeichnen. Die Hinzufügung dieses Präfixes drückt in diesem Fall die Überzeugung aus, dass jemand 1) heimlich ein Faschist ist, oder 2) auf eine Art und Weise handelt, die Faschismus unterschwellig etabliert.

Diese Zweideutigkeit der Vorsilbe kann uns helfen, die Rolle von „Krypto“ im weiteren Bezugssystem für das Erreichen einer liberalen Gesellschaft zu verstehen. Krypto-Anarchisten halte ich für weltanschauliche Anarchisten, die die überlegene Wirksamkeit der Verwendung kryptographischer Mittel für die Verwirklichung von Freiheit erkennen. Diese Gruppe ist in der Tat recht klein. Diese Anarchisten sind „Krypto“ im ersten Sinn des Wortes: Sie sind Anarchisten, die wohlüberlegt und vorsätzlich die Gesellschaft auf der Grundlage einer dezentralen Übereinstimmung von unzuverlässigen Netzwerken und starker Verschlüsselung revidieren wollen.

Kryptoanarchisten hingegen sind Menschen, die kryptografischen Werkzeuge benutzen ohne zu verstehen, dass sie zur Anarchie führen. Sie stehen für die zweite Bedeutung des Wortes „Krypto“ – indem sie durch die Verwendung kryptographischer Werkzeuge im eigenen Interesse ignoranterweise und unabsichtlich eine anarchistische Welt fördern. Sie popularisieren und normalisieren dieses Handwerkszeug – wie Bitcoin oder OpenBazaar – ohne Bezug zu Gesellschaft, Politik oder Wirtschaft. Sie sind meist völlig ahnungslos vom Treiben der Federal Reserve oder den neuen juristischen Vorstößen zur Neuregelung des „geistigen Eigentums“. Sie interessieren sich nicht für Diskussionen um die Freiheit des Internets jenseits der Massenproteste gegen CISPA/SOPA, sie stoßen in der Regel nicht in Themen wie digitales Eigentum, Datenschutz, politische Freiheit und Unabhängigkeit etc. vor. Sie sind meist Muggels, die allmählich in die Materie hineingerutscht sind und von anderen gelernt haben, Bitcoin, TOR, Textsecure, GNU/Linux oder verschiedene andere Werkzeuge aus dem Werkzeugkasten der Crypto-Anarchisten zu verwenden.

Punk 2.0: Ist der wahre Punk heute im Internet, unsichtbar hinter Kryptographie? Bild: Punk'd. Von Taro Taylor via flickr.com. Lizenz: Creative Commons 2.0

Punk 2.0: Ist der wahre Punk heute im Internet, unsichtbar hinter Kryptographie? Bild: Punk’d. Von Taro Taylor via flickr.com. Lizenz: Creative Commons 2.0

Beide Gruppen sind unverzichtbar für den Erfolg der Krypto-Anarchie als Bewegung. Die Anzahl der Spezialisten in Kryptographie, Systemsicherheit, digitalem Zahlungsverkehr und Peer-to-Peer-Vernetzung ist klein. Und obwohl diese Gruppe klein ist, stellt sie die notwendige Vision bereit, die die Menschen dazu inspiriert, ihre Zeit zur Herstellung dieser Produkte zu nutzen, und das oft freiwillig. Informatiker, IT-Spezialisten und Software-Geeks werden, wie jeder Mensch, durch Anreize beeinflusst. Ihre Arbeit ist Arbeit wie jede andere auch und wird in der Regel von Unternehmen bezahlt. Intelligente Programmierer werden durch große, zentralisierte Unternehmen abgeschöpft, um Detailfragen in der Server-Wartung, der Kommunikation oder anderen Projekte zu lösen. Software-Giganten haben heutzutage wenig Interesse, ihre Programmierer anzuspornen, innovative, dezentrale Netzwerke zu schaffen, im Gegenteil. Dezentrale Netzwerke sind den Microsofts und Apples der Welt ein Dorn im Auge. Die Mehrheit der „Software-Kundigen“ findet sich in Unternehmen und arbeitet dort an kleinen Puzzle-Teilen – das sind keine Genies, die ausbrechen und Paradigmen brechen.

Die weltanschaulich-motivierten Krypto-Anarchisten sind diejenigen, die in unseren Herzen die Leidenschaft anfeuern; sie sind es, die andere inspirieren und ermutigen, eine Krypto-Waffe in die Hand zu nehmen und am Kampf teilzunehmen. Sie verbreiten Anarchie durch ihre natürliche Mittel: Verschlüsselung. Krypto-Anarchisten, wie Cypherpunks vor ihnen, schreiben Codes. Beim Schreiben von Codes schreiben sie auch Prosa, die zu den Seelen nachfolgenden Programmierer und Software-Entwickler spricht, die 40 Stunden pro Woche damit verbringen, Skype Anruf-Schnittstellen zu justieren. Wenn dann aber Träume von Unabhängigkeit und Integrität aufkommen, widmen viele ihre Zeit freiwillig dem Aufbau anarchistischer Werkzeuge. Für diese Weltanschauung ist Bitcoin COOL. Es ist GROßARTIG. In seiner Innovation übertrifft es Wirtschaft, Computerwissenschaft und Recht. Es läutet eine ganz neue Epoche der Kommunikation und der Verträge ein. Bitcoin wird mit Geld tun, was BitTorrent mit Informationen gemacht hat: es ablösen. Geld und Verträge werden nicht mehr die Domäne von Bankern und Rechtsanwälten sein. Sie sind unnötige, antiquierte Lösungen, das Problem des kollektiven Handelns zu lösen, die existierten, bevor dezentrale Konsens-Mechanismen zur Verfügung standen. Im Bitcoin-Zeitalter, sind sie Dinosaurier, ungeeignet für die zukünftige Welt. Diese neue Welt zu schildern und auszuschmücken, ist spannend. Alles ist möglich! Programmierer haben bis jetzt nur wenig Energie in Bitcoin oder Bitcoin nahe Projekte gesteckt. Sie sahen die Auswirkungen der Informatik lange bevor die Ökonomen die wirtschaftlichen Auswirkungen begriffen (Rechtsanwälte hinken den rechtlichen Konsequenzen noch immer hinterher). Die krypto-anarchistische Leidenschaft ist enorm wichtig; sie bringt Männer und Frauen aus ihren normalen Alltag mit ihrer Plackerei für zentralisierte Institutionen und schafft den Wunsch, sich aus der Welt der Software-Riesen und Telekommunikationsunternehmen zu befreien.

"Kryptoanarkisme" von  Gateavisa via flickr.com. Lizenz: Creative Commons 2.0

„Kryptoanarkisme“ von Gateavisa via flickr.com. Lizenz: Creative Commons 2.0

Während diese die hitzköpfige Minderheit sind, liegt die meiste Arbeit bei der Masse der Kryptoanarchisten: die Masse der Verbraucher, die sich coole Sachen wünscht. Wenn Bitcoin den Schritt von der Innovation weg getan hat und normale Menschen erkennen, dass sie es an Stelle der spießigen staatlichen Geldes verwenden können, werden sie Anhänger und unterstützen Kryptogeld wegen der wunderbaren Dinge, die es ermöglicht: Geld zu besitzen und zu steuern ohne Bindung an eine rechtliche Identität, Geld für fünf Cent nach nebenan oder um die ganze Welt zu schicken und ständig Zugriff auf das Konto zu haben. Wenn sie erkennen, dass dieses Verhalten Währungen und Zentralbanken destabilisiert, umso besser. Aber das ist die Domäne der Krypto-Anarchisten nicht Kryptoanarchisten. So lange sie Bitcoin, TOR (gegen Online-Ausspähung) oder Linux (gegen Malware) benutzen, fördern sie Anarchie. Die Wirkugngsmöglichkeiten für Krypto-Anarchisten ergeben sich durch die versteckte Einbindung anarchistischer Tools in wunderbare Konsumgüter: Smartphones, die komplett auf Open-Source-Anwendungen basieren, verschlüsselte Kommunikationshilfsmittel, Betriebssysteme, aus denen sich keine Informationen absaugen lassen! Das ist der Schlüssel! Verpackt die Werkzeuge des Anarchismus angenehm in neue Technologien und schaut dabei zu, wie sich die Welt durch sie verändert!

Sobald die Verbraucher mit Verbindungen chatten, die von einem Ende zum anderen standardmäßig verschlüsselt sind, ist Rasterfahndung vorbei. Sobald die Verbraucher beginnen, über I2P oder TOR im Internet zu surfen, ist die Internet-Spionage vorbei. Sobald die Verbraucher mit Bitcoin ihre Einkäufe, Schuldenzahlungen, Überweisungen, Ersparnisse und Investmentvermögen erledigen, ist der Geld-Zirkus aufgeblähter Währungen zu vorbei. Ohne die Kontrolle über Währung und Informationen schwindet der Einfluss des Staats. Er kann nicht besteuern, was er nicht überblicken kann. Durch die Popularisierung dieser Krypto-Werkzeuge in „normaler“ Unterhaltungselektronik, entsteht Anarchie in jedermanns Interesse. Gewinne müssen nicht mehr an die Finanzbehörden gemeldet werden, denn der Arbeitgeber sendet automatisch eine W-2 oder ein 1099; alle Einnahmen und Ausgaben sind auf verschlüsselten Depotbüchern.

Der Blockchain und andere Innovationen werden jede Möglichkeit für den Staat beseitigen, seine Bürger auszurauben. Die meisten Fürsprecher der Freiheit haben die Meinung, dass Massenbewusstsein notwendig ist, dass ohne Aufklärung und Information die Menschen Sklaven eines weltweiten kriminellen Apparats sind, in dem es nie Freiheit geben wird – aber dem ist nicht so! Gebt den Menschen einfach die Werkzeuge, sich selbst zu schützen, umgarnt sie mit glänzenden Nutzer-Oberflächen und kommentiert es nicht weiter. Lasst die intelligenten User die Herkunft von Kryptografie und digitalem Bargeld entdecken, und lasst jeden einfachen User ihre Privatsphäre genießen. Mehr ist nicht notwendig, um den Staat durch den Massenungehorsam der Kryptographie zu unterminieren.

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Über Christoph Bergmann (2807 Artikel)
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10 Kommentare zu Krypto-Anarchisten und Kryptoanarchisten

  1. Name required // 6. Oktober 2014 um 18:58 // Antworten

    Zitat:
    „Hat Ihnen der Artikel gefallen? Qualitätsübersetzungen bedeuten eine Menge Arbeit. “

    Eine „Qualitätsübersetzung“ ist das mit den vielen Rechtschreib- und Grammatikfehlern sicherlich nicht.

    • Na, da sehen Sie es ja. Ein Grund mehr, ein paar Bits in unsere Autorenkasse wachsen zu lassen. Meinen Sie, unsere Zeit fällt von Bäumen? Der vorliegende Text war ein anspruchsvoller Artikel über fast 10.000 Zeichen, und wer sich schon einmal darin versucht hat, weiß, dass eine Übersetzung vom Englischen ins Deutsche alles andere als trivial ist. Die Bezahlung, die ich hierfür anbiete, reicht vorne und hinten nicht aus, um den Aufwand, den sich Stefan gemacht hat, zu rechtfertigen, und um die sprachliche Qualität, die hier vorliegt, zu würdigen. Schlechte Übersetzungen lesen sich nämlich ganz anders.

      Edit: „Es geht letztens Endes um Kryptoanarchie.“ –> Mein Fehler.

      • Helfius // 7. Oktober 2014 um 17:11 //

        Herr Bergmann und ich hatten zwar zu anderen Bitcoin-bezogenen Themen hier schon die ein oder andere Diskussion aber hier muss ich ihm ABSOLUT zustimmen. Die Übersetzung ist definitiv sehr gut gelungen (v.a. bei diesem durchaus komplizierten Text).

      • Helfius // 7. Oktober 2014 um 17:14 //

        Was ich allerdings noch hinzufügen möchte ist die folgende Frage: Warum ist Ihr Budget eigentlich so gering? Immerhin arbeiten Sie (soweit ich das verstanden habe) für bitcoin.de .
        Eine so große Börse wird wohl eine halbwegs anständige Autorenvergütung anbieten können, oder irre ich mich?

      • Sie werden verstehen, dass ich hier keine konkreten Angaben machen kann.
        Nur soviel: Ein Blog auf dem nur Bergmann schreibt, ist auf Dauer etwas langweilig und wird auch nicht dem Anspruch gerecht, ein Bitcoin-Magazin zu sein. Und das Budget von bitcoin.de deckt zwar meine Beiträge ab, aber nicht die von Autoren. D.h. wenn hier andere Autoren zu Wort kommen, bezahle ich das derzeit aus eigener Tasche.

  2. iemmr dsiee Rchtesrhcieb Fnaktiaer.

    Wer den ersten Satz nicht lesen kann ist Legasteniker.

    Das Gehirn korrigiert die Fehler direkt beim Lesen.
    Bis jetzt sind mir niemals grobe Fehler aufgefallen, also immer schön weiter Bloggen.

    solange es nicht so geschrieben wird:

    werrechtschreibfehlerfindetsollsiedocheinfachselberbehaltenundsichfürjedeneinzelneneinenBITCOINkaufen 😉

    mfg

  3. Danke für die News!

  4. Wenn keiner was spendet, machen da nicht Werbebanner langsam Sinn?

  5. DANKE FÜR DIESEN ARTIKEL!!!!!

    wenn ich diese gemeckere über irgendwelche recht-schreibungs-fehler lese, geht mir der puls hoch.

  6. Grundlage einer dezentralen Übereinstimmung von unzuverlässigen Netzwerken

    Ist hier evtl. von decentralized consensus of trustless networks die Rede? Bei der Übersetzung rollen sich mir ja die Zehennägel hoch.

1 Trackback / Pingback

  1. Die Bitcoin-Infothek | BitcoinBlog.de - das Blog für Bitcoin und andere virtuelle Währungen

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