Buenos Dias, Mr. Bitcoin!
Hyperinflation, eingefrorene Bankkonten und strenge Kapitalverkehrskontrollen haben dazu geführt, dass Argentinier weder Regierungen noch Banken vertrauen, wenn es ums Geld geht. Daher gilt Argentinien als besonders Bitcoin-affines Land. Jemand, der sich damit auskennt, ist Aaron Koenig von Bitfilm. Er reist regelmäßig in das südamerikanische Land und tritt auch auf der Konferenz laBITconf im November 2016 in Buenos Aires auf. Für das Bitcoinblog berichtet er aus der argentinischen Bitcoin-Szene.
Bisher waren auf dem Schwarzmarkt gekaufte US-Dollars, die man unter Matratze versteckt oder im Garten vergräbt, das beliebteste Instrument der Argentinier, um ihre Ersparnisse vor dem gierigen Staatsapparat zu schützen. Doch mehr und mehr wächst Bitcoin in die Rolle des bevorzugten Mittels zur Werterhaltung hinein.
Insbesondere in der Hauptstadt Buenos Aires hat sich eine florierende Bitcoin-Szene entwickelt. Hier gibt es viele, zum Teil durch internationales Venture Capital finanzierte Start-Ups. Mitten im Finanz- und Einkaufsdistrikt von Buenos Aires steht ein vierstöckiges Bitcoin Center, in dem allein ein Dutzend Bitcoin-Firmen sitzen. Einige sind bereits daraus herausgewachsen und in größere Büros gezogen. Im Bitcoin Center (oder auf Spanisch: Espacio Bitcoin) findet auch das monatliche Bitcoin-Treffen statt, dessen Meetup.com-Gruppe über 2000 registrierte Mitglieder hat.
Die erste Bitcoin-Konferenz in Argentinien
Rund um das Bitcoin Center akzeptieren bereits eine Reihe von Restaurants, Bars und Cafés Bitcoin. Auch Flüge, Jeep-Safaris und Taxifahrten konnte ich während meines mehrmonatigen Aufenthalts in Argentinien Anfang 2016 mit Bitcoin bezahlen. Bitcoins in Pesos umzutauschen war ebenfalls kein Problem: eine kurze Message in der Facebook-Gruppe der argentinischen Community und schon fand sich garantiert jemand, der seine ständig im Wert schrumpfenden Pesos gegen gute harte Bitcoins tauschen wollte.

Aaron Koenig in Buenos Aires.
Der Espacio Bitcoin wird von Diego Gutierrez Zaldivar, Franco Amati und Rodolfo Andragnes betrieben, die dort an ihren eigenen Start-Ups arbeiten. Diego ist Chef von Rootstock, die Ethereum-artige Smart Contracts auf einer Sidechain der Bitcoin-Blockchain möglich machen wollen; Francos Firma Bitcourt bietet denzentralisierte Notardienstleistungen, und Rodolfo arbeitet an einer Kundenbindungsplattform auf Blockchain-Basis. Die drei haben sich Anfang 2013 auf dem ersten argentinischen Bitcoin-Meetup kennengelernt, das auf Initiative des in den USA lebenden argentinischen Unternehmer Wences Casares (Xapo) zustande kam.
Diego, Franco und Rudolfo beschlossen damals, gemeinsam eine Bitcoin-Konferenz auf die Beine zu stellen. Bereits Anfang Dezember 2013 war es soweit: getragen vom Rausch des 1000-Dollar-Peaks kamen zahlreiche Größen der Bitcoin-Welt, darunter Roger Ver, Andreas Antonopoulos, Eric Voorhees, Charlie Shrem, Anthony di Iorio und Trace Meyer in die sommerlich heiße Metropole am Rio de la Plata. Auch aus Chile, Brasilien, Peru, Mexiko und anderen lateinamerikanischen Ländern waren Bitcoin-Enthusiasten angereist, der Saal im Hotel Melia war brechend voll, die Konferenz ausverkauft.
Nach vielen großartigen (englischsprachigen) Vorträgen und Panels war der emotionale Höhepunkt die von Andreas Antonopoulos moderierte Versteigerung einer Ausgabe der Times vom 3. Januar 2009 mit der legendären, im Genesis Block gespeicherten Schlagzeile „Chancellor on brink of second bailout for banks“. Elf Bitcoins – damals über 10,000 US Dollar – wurden in einem harten Bieterwettstreit zwischen Anthony di Iorio, Roger Ver und Rodolfo Andragnes dafür erzielt. Sie gingen an die gemeinnützige argentinische Bitcoin-Stiftung.
Es war wohl die Konferenz mit der hochkarätigsten Besetzung und der besten Stimmung, auf der ich bis dahin war. Seitdem ist die Lateinamerikanische Bitcoin-Konferenz ein fester Bestandteil meines Reiseplans. Sie findet jedes Jahr in einem anderen Land statt, 2014 war Rio de Janeiro Austragungsort, 2015 Mexico City.
LaBITConf – zurück in Buenos Aires
Im November 2016 kehrt die LaBitConf nach Buenos Aires zurück, und ich kann jedem nur empfehlen, den weiten Weg über den Atlantik nicht zu scheuen. Die Konferenz lohnt sich, nicht nur, um Spaß zu haben, sondern auch für kostbare Geschäftskontakte. Nirgendwo nimmt die Bitcoin-Nutzung derzeit so stark zu wie in Lateinamerika. Als Beispiel seien die Wachstumszahlen von Bitpay genannt, der weltweit führenden Enabler-Firma für Bitcoin-Zahlungen. Während das Wachstum im Jahr 2015 weltweit 110 Prozent betrug, wuchs die Zahl der über Bitpay abgewickelten Transaktionen in Lateinamerika im gleichen Zeitraum um 1747 Prozent!

Im Bitcoin Center in Argentinien.
Zum Teil mag das am Verkaufstalent von Bitpays Lateinamerika-Chef Alberto Vega liegen, doch vor allem hat es sicher mit dem fortgeschrittenen Misstrauen vieler Lateinamerikaner mit staatlichen Institutionen und Währungen zu tun. Während viele Deutsche immer noch glauben, dass ihre Ersparnisse sicher seien und Mutti Merkel den Euro „retten“ könne, haben die Menschen in Lateinamerika uns einige schmerzliche Erfahrungen voraus. Wir können viel von ihnen lernen!
Während insbesondere Venezuela und Brasilien zur Zeit unter den Folgen jahrelanger sozialistischer Misswirtschaft zu leiden haben, sehen die Zukunftsperspektiven in Argentinien mittlerweile besser aus. Der neue Präsident Mauricio Macri gilt nicht nur als ökonomisch kompetent, er ist auch erklärter Bitcoin-Fan. Auf seiner Facebook-Seite posierte er stolz mit Starunternehmer Richard Branson, mit dem er sich am Rande des Davos-Gipfels über Bitcoin und Blockchain-Technologie unterhielt. Eine seiner ersten Amtshandlungen war die Abschaffung der von der peronistischen Vorgängerregierung eingeführten Kapitalverkehrskontrollen, woraufhin der „offizielle“ Peso-Kurs sich blitzschnell dem realen Marktpreis anglich.
Mr. Bitcoin
Das Maskottchen der lateinamerikanischen Bitcoin-Szene ist „Mr. Bitcoin“, ein lila-orangenes Fabelwesen mit Schlapphut, Sonnenbrille und der Rückennummer 10, das zur Weltmeisterschaft in Brasilien die Aufmerksamkeit der Fußballfans für eine PR-Kampagne auf sich zog. Dabei wurden in den WM-Stadien Schilder mit großen QR-Codes hochgehalten, über die man Bitcoins für soziale Zwecke spenden konnte. Diese Aktion wurden von vielen Menschen vor Ort und in Medienberichten wahrgenommen, was dem Ansehen Bitcoin in Lateinamerika sehr gut getan hat.
Mr. Bitcoin spielt auch die Hauptrolle in dem Trailer zur Konferenz, den wir im April 2016 in Buenos Aires gedreht haben. Er tanzt darin Tango auf der Straße, spielt mit einem Maradona-Imitator Fußball und winkt wie einst Evita in der Casa Rosada huldvoll vom Balkon des Espacio Bitcoin herab.
Fast so heiß diskutiert wie die Identität von Satoshi Nakamoto ist die Frage, wer sich eigentlich hinter Mr. Bitcoin verbirgt. Vielleicht sogar Satoshi selbst? Am besten gleich Tickets nach Buenos Aires kaufen (natürlich für Bitcoins beim argentinischen Reiseportal BTC Trip) und es selbst herausfinden!
¡Nos vemos!
Es lebe die Aaron Koenig-Show!