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Verbietet Indien Kryptowährungen jetzt – wirklich?

Das indische Parlament Rajya Sabha. Bild von A- Savin, geteilt via wikipedia, Lizenz: Freie Künste

Ein Verbot von Kryptowährungen in Indien liegt schon lange auf dem Tisch, wurde bisher aber niemals umgesetzt. Nun sieht es aus, als hätte das Parlament beschlossen, alle privaten Kryptowährungen vollständig zu verbieten. Wie gravierend können die Folgen sein?

Natürlich ist unsere Kompetenz über die Gesetzgebung in Indien äußerst beschränkt. Im Grunde verlassen wir uns nur darauf, dass das, was Bloomberg Quint, der indische Ableger des renommierten Börsendienstes, schreibt, auch Hand und Füße hat.

Bloomberg Quint berichtete schon Ende Januar davon, dass das Parlament des 1,35-Milliarden-Einwohner-Landes über ein Gesetz beraten wird, welches alle privaten Kryptowährungen verbieten und die Grundlage für eine von der Zentralbank herausgegebene virtuelle Währung legen soll. Tatsächlich findet man in einem Dokument mit aktuellen Ankündigungen für das Rajya Sabha genannte Parlament eine Liste mit eingebrachten und zu diskutierenden Gesetzen, welche auch das “Gesetz für Kryptowährungen und zur Regulierung einer offiziellen digitalen Währung” enthält. Der Zweck dieses Gesetzes ist es, “ein Framework zu schaffen, welches die Herausgabe einer digitalen Währung durch die Reserve Bank of India ermöglicht. Das Gesetz soll zudem in Indien alle privaten Kryptowährungen verbieten, jedoch bestimmte Ausnahmen gewähren, welche die unterliegende Technologie und ihre Anwendung bewerben.”

Am vergangenen Donnerstag, den 11. Februar, legte Bloomberg Quint nach: Laut einem anonym bleibenden führenden Beamten am Finanzministerium werde das Gesetz eingeführt und “alle Arten der Nutzung” von Kryptowährungen verbieten. Dazu zählen auch Transaktion zu ausländischen Börsen. Allerdings werde das Verbot nicht über Nacht durchgesetzt. Investoren erhalten ein Zeitfenster von drei bis sechs Monaten nach Verabschiedung des Gesetzes, um ihre Investments zu liquidieren. Indien orientiere sich an der Regulierung in China, die effektiv den börslichen Handel sowie die Nutzung von Kryptowährungen verboten hat, aber gleichzeitig an einer eigenen virtuellen Währung arbeitet.

Andere Kommentare aus dem Parlament deuten laut Bloomberg dagegen darauf hin, dass die Entscheidung über das Gesetz noch nicht endgültig ist. Börsen wie Unocoin warten laut Bloomberg noch ab, wirken aber bereits pessimistisch: Wenn die Regierung tatsächlich alle privaten Kryptowährungen verbietet, so ein Vertreter der Börse, mache es nicht viel Sinn, weiter im Land zu operieren.

Wirklich überraschend wäre ein solches Verbot nicht. Nachdem Indien Ende 2016 über Nacht einen Großteil des zirkulierenden Bargelds für ungültig erklärt hatte, wurden Bitcoin und andere Kryptowährungen in dem Land rasch populär. In der Folge diskutierte die Regierung immer wieder ein Verbot von Kryptowährungen, um schließlich Ende 2018 es Banken zu verbieten, Transaktionen im Zusammenhang mit Kryptowährungen auszuführen, woraufhin im Frühjahr 2019 viele indische Bitcoiner plötzlich ihr Bankkonto verloren. Solche Maßnahmen kennt man sowohl von Ländern wie China und jüngst Nigeria, aber auch von westlichen Demokratrien, seien es Deutschland oder die USA, wo es immer wieder vorkam, dass Bitcoin-User ihre Bankkonten verloren haben.

Allein reicht eine solche Maßnahme nie aus, sie ist entweder ein Auftakt für weitere Verbote oder für eine Legalisierung. So hat sich China für weitere Verbote entschieden, der Westen dagegen für die Legalisierung. In Indien strebte die Regierung danach mit Gesetzesvorschlägen auf ein drastisches Verbot zu, welches für Bitcoin-User bis zu 10 Jahre Gefängnis vorsah, ruderte dann aber zurück, als der Oberste Gerichtshof des Landes urteilte, es sei unverhältnismäßig und damit hinfällig, Banken das Geschäft im Zusammenhang mit Bitcoins zu untersagen. Nun jedoch scheint das Parlament die rechtlichen Grundlagen festigen zu wollen, um gegen Kryptowährungen vorgehen zu können.

In einem Folgeartikel erkundete Bloomberg gestern die Optionen, die Investoren bleiben, wenn das Verbot wie erwartet umgesetzt wird. Laut einer Umfrage bei den drei größten Börsen des Landes, WazirX, UnoCoin und CoinDCX, besitzen deren Kunden Krypto-Guthaben zwischen “60 Lakh und 1 Crore”, was insgesamt auf Guthaben von “mehr als 10.000 Crore” kommt. 1 Lakh sind 100.000 Rupien, ein Crore 10 Millionen Rupien, womit die Kunden Kryptowährungen im Wert zwischen etwa 70.000 und 120.000 Euro besitzen – das enge Spektrum deutet auf einen Übersetzungs- oder Rechenfehler hin – und insgesamt etwas mehr als eine Milliarde Euro halten.

Bloomberg zählt drei Optionen auf: Erstens können sie die Kryptowährungen selbst verwalten, mit Hardware-, Software- und Onlinewallets. Ein indischer Youtuber berichtet, dass viele indische Kryptouser sich derzeit für diese Option interessieren, was relativ folgerichtig wäre: Wozu sonst sind selbstverwaltete Wallets da – um nicht der Zensur zu widerstehen? Allerdings warnt Bloomberg auch, dass die Regierung die Überweisungen nachverfolgen kann, wenn diese von einer Börsenwallet ausgeht, und so auch den Besitzer ermitteln kann.

Die zweite Option wäre es, die Kryptowährungen an Freunde und Verwandte zu schicken, die im Ausland leben. Damit würde man allerdings den offiziellen Besitz an den Coins aufgeben und dem Empfänger eine Steuerschuld an seinem Wohnort aufbürden. Die dritte Option schließlich ist das, was wohl von der Regierung vorgesehen war: Die Kryptowährungen zu verkaufen, was Bloomberg “panic selling” nennt – Panikverkäufe. Vishal Gupta von der Bitcoin Allianz India meint, dies geschehe nur unter relativ neuen Investoren, welche vor allem aus spekulativen Motiven eingestiegen seien. Auch Nischal Shetty von WazirX meint, dass ein Verbot das Vertrauen der Investoren nicht erschüttern, sondern lediglich den Handel in den Underground verdrängen wird.

Die Wirklichkeit könnte diese Prognose bestätigen – zumindest wenn man sich das Land anschaut, das Indien zu seinem Vorbild für den Umgang mit Kryptowährungen gekürt hat. Denn in China wird, allen Verboten zum Trotz weiterhin begeistert mit Bitcoins gehandelt und gearbeitet.

Über Christoph Bergmann (2557 Artikel)
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