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Die tragische Affäre von EU und EZB mit Stablecoins geht in die nächste Runde …

Europa aus dem All. Bild von woodleywonderworks via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Die EZB würde gerne einen digitalen Euro auflegen, ist sich aber noch nicht sicher. Bis es soweit ist, soll eine restriktive Regulierung verhindern, dass ein privat herausgegebener Stablecoin in der EU jemals relevant werden kann.

Stablecoins sind umstritten. Das beginnt bei den Tether-Dollar, die notorisch berüchtigt sind, und endet bei den Terra-Dollar, die vergangene Woche kollabiert sind.

Aber abgesehen davon sind Stablecoins auch mehr als nur umstritten: Man kann sie auch als Angriff auf die etablierten Währungen verstehen. Weniger auf den Dollar, den sie meistens abbilden, sondern auf alle anderen. Dank Stablecoins ist der digitale Dollar weiter verfügbarer als je zuvor.

Kein Wunder passt das der EU nicht. Denn während wir EU-Coiner weiterhin darauf warten, dass jemand einen vernünftigen, liquiden Euro-Coin herausgibt, wurde der Dollar längst zu unserer inoffiziellen Zweiwährung. Das war schon vor Jahren so, als der Handel von Bitcoin gegen Dollar den Preis machte, und das ist heute, mit DeFi, mehr denn je so. Wer irgendetwas mit DeFi macht, macht in der Regel etwas mit Dollar anstatt Euro.

Man kann also verstehen, dass die EU den Aufstieg der Stablecoins mit viel weniger Wohlwollen belinst als die USA. Das – amerikanische – Magazin Coindesk hat nun Kunde von einem Papier bekommen, in welchem die EU-Kommission einen Plan darlegt, wie sie verhindern kann, dass Stablecoins in Europa allzu mächtig werden.

Das Papier läuft als „Nicht-Papier“, was bedeutet, dass es (noch) nicht die formelle Position der Kommission wiedegibt. Coindesk beruft sich aber auf zwei Quellen, die die Autentizität des Papers bestätigen. In ihm schließt sich die Kommission den Finanzministern der EU an, die harte Maßnahmen vorgeschlagen haben, um zu verhindern, dass Facebooks Stablecoin Libra (später Diem) den Euro ersetzt. Libra, später Diem, wurde aufgegeben, noch bevor er den Weg in die Wirklichkeit schaffte, doch Stablecoins an sich bleiben, und mit ihnen die potenzielle Gefahr für den Euro wie auch die Überlegungen, wie man diese entschärfen kann.

Schon 2020, als Libra noch weder geboren noch gestorben war, beschloss die EU, dass Stablecoins ab einem Volumen von 5 Millionen Euro eine Lizenz benötigen. Dies geht Kommission und Ministerrat aber offenbar nicht weit genug. Laut dem Dokument schließt sich die Kommission dem Vorschlag des Rates für eine harte Grenze an. Die Herausgabe eines Stablecoins soll demnach gestoppt werden, wenn er am Tag mehr als eine Million Transaktionen erreicht und / oder (das ist nicht ganz klar) der Marktwert 200 Millionen Euro übersteigt. Erst wenn diese Schwellen wieder unterschritten werden, darf der Herausgeber weitere Coins schaffen. Kurzum: Die EU möchte es Stablecoins verbieten, relevant zu werden.

Laut dem Dokument bevorzugt die Kommission diesen Vorschlag des Rates der Finanzminister, während das Europäische Parlament es vorziehen würde, wenn erfolgreiche Stablecoins der Regulierung durch die Europäische Bankenaufsicht unterstellt werden.

Im Generellen scheinen EU und EZB derzeit zu realisieren, dass sich im Ökosystem der Kryptowährungen eine ganze Reihe von erfolgreichen Stablecoins gebildet haben, während sie sich ins Schattenboxen gegen Libra gestürzt hat. Zumindest schießen derzeit mehrere Vertreter der Institutionen verbal gegen Stablecoins.

Beispielsweise Francois Villeroy de Galhau, der Governeuer der Bank von Frankreich. Er sagte auf einer Konferenz in Paris, man brauche mehr Regulierung für Krypto-Assets. Stablecoins, so der Zentralbanker, seien irreführend benannt. Der jüngste Crash sollte ein „Weckruf“ für globale Regulierer sein, die bisher wenig Fortschritte dabei erreicht hätten, Kryptocoins zu regulieren. Mittlerweile sei das Ökosystem so sehr gewuchert, dass „Krypto Assets das internationale Finanzsystem (ver-)stören könnte, wenn sie nicht jurisdiktionsübergreifend auf eine konsistente und angemessene Weise reguliert und überwacht werden“.

In Irland gab derweil Fabio Panetta, ein Vertreter der EZB selbst, eine Keynote-Rede. In dieser sprach er auch über Krypto-Assets und Stablecoins. Die „jüngsten Entwicklungen“ illustrierten, „dass es eine Illusion ist, zu glauben, private Instrumente könnten als Geld dienen, wenn sie nicht jederzeit zu Parität gegen öffentliches Geld konvertiert werden können.“ Kryptowährungen seien nicht, wie behauptet, „eine vertrauenswürdige Art von ‚Währung‘ außerhalb der öffentlichen Kontrolle“, sondern „zu riskant, um als zuverlässiges Zahlungsmittel zu dienen“. Sie verhielten sich viel mehr wie spekulative Investments, die mittlerweile multiple Gefahren für die politische und finanzielle Stabilität verkörperten. „Jeder, der in Kryptos investiert, muss darauf vorbereitet sein, sein gesamtes Investment zu verlieren,“ mahnt der Zentralbanker.

Sogenannte Stablecoins linderten dieses Risikos und „haben das Potenzial, global systemisch zu werden, vor allem, wenn sie von Big Techs herausgegeben werden.“ Dennoch seien auch Stablecoins nicht risikofrei. „Es gibt keine Garantie, dass sie zum gleichen Wert eingelöst werden können.“ Erst letzte Woche habe der größte Stablecoin der Welt kurzzeitig seine Parität verloren. Panetta meint natürlich die Tether-Dollar, die für einige Stunden tatsächlich unter einem Dollar gehandelt wurden. Der Seitenhieb zeigt, wie genau Panetta den Markt beäugt.

Stablecoins profitierten nicht von einem Einlagenschutz, noch hätten sie Zugang zu den „Standing Facilities“ der Zentralbanken. Dabei handelt es sich um geldpolitische Operationen durch die Zentralbank, welche die kurzfristige Volatilität der Zinssätze im Geldmarkt beschränken sollen. Da Stablecoins also nicht diese Schutzmechanismen genießen, sind sie angreifbar durch Bankruns – „wie wir eben erst mit dem Crash eines anderen Stablecoins gesehen haben – TerraUSD“. Panetta beobachtet den Markt.

Der Zentralbanker beschäftigt sich aber weniger mit den üblichen Stablecoins, sondern mit einem Stablecoin, den es noch gar nicht gibt – einem von der EZB herauszugebenden digitalen Euro. Er erkennt einen steigenden Bedarf nach digitalen Währungen, einschließlich der Stablecoins, und er prognostiziert, dass entweder der „offizielle Sektor“, also Zentralbanken, diesen Bedarf befriedigen – oder es eben andere machen.

Daher beschäftigen sich zahlreiche Länder der Welt mit digitalen Währungen einer Zentralbank, und die ersten haben sie auch schon herausgegeben. Es wäre ein „stabiles, zuverlässiges Zahlungsmittel, so gemacht, dass es dem öffentlichen Interesse dient.“ Mit einem solchen digitalen Euro könnte Europa „unsere strategische Autonomie schützen, während wir offen für eine Welt bleiben, in der Technologien und Abhängigkeiten zunehmend als Waffe benutzt werden.“

Anschließend erklärt Panetta noch einige Details zu möglichen Konzepten eines digitalen Euros, sowie den Zielkonflikten, die mit diesen einhergehen. Ende 2023 könne man sich dann entscheiden, in eine Phase der Realisierung überzugehen, um angemessene technische Lösungen zu entwickeln und zu testen und auszuloten, wie und über welche Mittelsmänner man den digitalen Euro ausrollt. Diese Phase könne drei Jahre dauern.

Falls ein digitaler Euro der Zentralbank kommt, wird dies also frühestens 2027 so weit sein. Damit die Welt der EU nicht davonrennt, indem sie die Eurozone mit digitalen Dollar überschwemmt, bleibt der EU wohl nichts anderes übrig, als restriktiv gegen private Stablecoins vorzugehen.

Über Christoph Bergmann (2807 Artikel)
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2 Kommentare zu Die tragische Affäre von EU und EZB mit Stablecoins geht in die nächste Runde …

  1. Fand die Sache um Terra wirklich sehr schade. Wenn ich mir jetzt ansehe, dass der Kurs jetzt nur noch bei 0,06 Euro liegt ( https://cointable.de/ust/eur/ ), ist das Vertrauen halt auch nachhaltig dahin

  2. Oliver Franz // 28. Mai 2022 um 11:51 // Antworten

    Ja, da sieht man halt, dass die Scheiss-EU kein Hirn hat!!!

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