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Wie Russland seine Kriegsmaschinerie mithilfe des Stablecoins Tether finanziert

Ein T90, der modernste russische Kampfpanzer. Dank der fortlaufenden High-Tech-Importe kann Russland sie weiterhin in hoher Zahl produzieren, um noch mehr Ukrainer zu ermorden. Lizenz: Öffentliche Domäne.

Trotz der umfangreichen Finanzsanktionen importiert Russland weiterhin High-Tech-Bauteile für seine Waffenindustrie. Eine Schlüsselrolle könnte dabei der Stablecoin Tether spielen.

Seit Russland es zur obersten Staatsmission gemacht hat, Massenmord in der Ukraine zu begehen, versucht der Westen, die russische Waffenproduktion durch Sanktionen auszutrocknen. Der Erfolg fällt allerdings bescheiden aus.

Ukrainische Forscher erklärten kürzlich, dass die Sanktionen die High-Tech-Lieferketten in russischen Waffensystemen so gut wie gar nicht unterbrochen haben. Daher finden sich ukrainische Soldaten in der paradoxen Situation wieder, mit westlichen Waffen gegen ein russisches Arsenal zu kämpfen, das ebenfalls auf westlichen Bauteilen basiert.

Warum greifen die Sanktionen so wenig? Eine Erklärung könnte in Kryptowährungen liegen, konkret: Im Stablecoin Tether. Denn der wurde, meint das Wall Street Journal (WSJ), „eine der Standart-Zahlungsmethoden der globalen Schwarzmärkte“ — und damit unverzichtbar für Putins Kriegsmaschinerie.

Das WSJ hat zahlreiche Interviews mit russischen Geschäftsleuten, Geldwäschern und Schmugglern geführt und tausende Nachrichten auf einschlägigen Telegram-Kanälen gesichtet. In einer lesenswerten Reportage berichtet es nun, wie Schmuggler den Stablecoin benutzen, um beispielsweise Halbleiter aus China zu importieren, die der Rüstungskonzern Kalaschnikow in seinen Drohnen verbaut.

Eigentlich haben Länder wie China keine Sanktionen erlassen, weshalb die Hersteller von High-Tech-Bauteilen unbesorgt die russische Waffenindustrie beliefern können. Doch weil die Banken fürchten, dass sie sich ebenfalls auf US-Sanktionslisten wiederfinden und damit den Zugang zum wichtigen Dollar-Banking verlieren, lehnen sie es oft ab, die Zahlungen russischer Unternehmen abzuwickeln.

Daher greifen die Importeure der Bauteile zu Kryptowährungen. Sie zahlen die Rubel auf das Bankkonto eines Mittelsmannes ein, der es gegen Tether konvertiert. Die Tether dienen als Brückenwährungen, um die Lieferanten mit der lokalen Währung zu finanzieren. Als Börse dient üblicherweise Garantex, eine Moskauer Plattform, die seit Jahren vom Finanzministerium der USA sanktioniert wird, aber davon ungetrübt weiter operiert.

Einer der Gründer von Garantex, Sergej Mendeleew, verließ die Börse sogar, um ein Zahlungsunternehmen zu gründen, welches Importeuren hilft, die Lieferanten mit Tether zu bezahlen. Er schätzt, dass das monatliche Volumen des Schattenhandels etwa 10 Milliarden Dollar beträgt.

Diese Schätzung mag übertrieben sein, könnte aber auch ein Hinweis auf die Dunkelziffer sein. Andere Analysten berichten, dass Russlands Waffenindustrie im vergangenen Jahr Halbleiter aus amerikanischer und europäischer Fertigung im Wert von mehr als einer Milliarde Dollar verbaut habe, während eine Analyse von britischen und amerikanischen Beobachtern schätzen, dass über Garantex mehr als 20 Milliarden Dollar in Tether für die russische Waffenindustrie gewaschen wurden.

So oder so trifft offenbar zu, was Brian Nelson, Untersekretär am US-Finanzministerium, feststellt: „Russland verwendet zunehmend alternative Zahlungs-Mechanismen, um US-Sanktionen zu umgehen und seinen Krieg gegen die Ukraine zu bezahlen.“

Mit Sanktionen gegen 13 weitere Unternehmen versucht das US-Finanzministerium diesen Dollarstrom einzudämmen. Die meisten der betroffenen Unternehmen sind allerdings eher unbedeutende Moskauer Börsen oder Web3-Dienstleister, die die Sanktionen kaum stören werden. Ausnahmen sind die Bitfingroup in Estland und die Tokentrust Holdings in Zypern.

Eventuell werden die Sanktionen Tether weiter unter Druck setzen. Die Herausgeberin von Stablecoins agiert zwar weiterhin außerhalb der US-Regulatorik, macht sich aber durch die massiven Anteile an (lukrativen) US-Staatsanleihen in seinen Reserven erpressbar, und kommt der US-Justiz auch damit entgegen, dass es zunehmend Accounts einfriert und eng mit Secret Service und FBI zusammenarbeitet.

In gewisser Weise könnte Tether einen enormen Unterschied auf dem Schlachtfeld machen. Das Unternehmen könnte es Russland sehr viel schwerer machen, High-Tech-Bauteile zu importieren, um Massenmord an Ukrainern zu begehen. Die Frage ist nun, ob das Unternehmen dies nicht will – oder gar nicht kann, weil auch es nur begrenzt mitbekommt, wem die Adressen gehören, auf denen die Stablecoins liegen.

Über Christoph Bergmann (2807 Artikel)
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6 Kommentare zu Wie Russland seine Kriegsmaschinerie mithilfe des Stablecoins Tether finanziert

  1. Der Originalartikel liegt leider hinter einer Paywall, schade ….

    • Lieber Tom, auch dafür gibt es Lösungen 😉
      https://archive.is/XkBzL

      Zum Artikel selbst glaube ich, dass Tether ganz gut nachvollziehen könnte, wo die Tether hinfließen, wenn sie denn wollten, denn wenn das externe Beobachter schaffen, dann Tether ganz sicher auch und wenn ihnen die Kompetenzen dazu fehlen, gibt es mittlerweile unzählige Chain Analysis Firmen, die sich darauf spezialisieren und (erfolgreich) gegen jegliche Privatsphäre in Blockchains lobbyieren.

  2. Danke, Paul. archive.org hatte tatsächlich die Paywall mit repliziert und archive.is kannte ich noch nicht.

    Ich muss noch dazu sagen (liebes Wall Street Journal und andere): Baut bitte mal ein Portal wo ich Euren Content anonym via Tor mit Bitcoin (oder noch besser Monero) bezahlen kann. Dann hab ich wirklich keine Ausrede mehr, nicht dafür zu bezahlen ;-).

    So oder so trifft offenbar zu, was Brian Nelson, Untersekretär am US-Finanzministerium, feststellt: „Russland verwendet zunehmend alternative Zahlungs-Mechanismen, um US-Sanktionen zu umgehen und seinen Krieg gegen die Ukraine zu bezahlen.“

    Hm, ich sag immer, wo es einen Weg gibt, findet sich früher und später immer auch ein entsprechender Wille. :-))
    Trotzdem hat Russland – genau wie andere Länder mit einer starken Zentralbank – zumindestens ein sehr ambivalentes Verhältnis zu Kryptowährungen, wenn es sie nicht sogar stärker ablehnt als der Westen. Ich glaub Du hattest darüber auch schon öfter berichtet, Christoph.

    Mit der Begründung jetzt zu verlangen Tether muss alles tun, um zu unterbinden, dass es von „bösen“ Kräften ausnutzbar ist, finde ich reichlich naiv.
    Das stösst argumentativ am Ende in genau dasselbe Horn, wie die Ansicht das Böse liesse sich mit einer 1.000 EUR Travel Rule oder aber Bezahlkarten für Flüchtlinge, Bürgegeldempfänger (und andere „Versager“) in den Griff bekommen.

    Man kann das eine (das Gute) leider nicht ohne das andere (das Schlechte) haben. Gut und Böse hingegen, sind eine Illusion. Leben heisst immer Balance.

    • Ja, die Paywalls sind ein Thema für sich. In den Anfängen der Paywalls konnte man sich noch meist einzelne Artikel kaufen, die einen interessiert haben. Gerade Monero oder von mir aus noch das LN wären für solche Micropayments ideal. Mittlerweile muss man aber auf gefühlt allen Seiten ein Abo abschließen, um einzelne Artikel zu lesen, was ich ganz sicher nicht tun werde, zumal mein KYC-Profil ganz sicher mit allen gelesenen Artikeln angereichert wird.

      Trotzdem hat Russland – genau wie andere Länder mit einer starken Zentralbank – zumindestens ein sehr ambivalentes Verhältnis zu Kryptowährungen, wenn es sie nicht sogar stärker ablehnt als der Westen.

      Klar, die Russische Regierung will die vollständige Kontrolle über seine Bürger haben und da ist jedes Quäntchen Freiheit eines zuviel. Putin schreckt bei der Durchsetzung seiner Ziele aber vor nichts zurück, siehe wie er überhaupt an die Macht kam und nach den Anschlägen 1999 in Tschetschenien einmarschierte. Die Anschläge kann man wohl gesichert dem FSB zuschreiben…
      Auch wenn man der eigenen Bevölkerung Kryptowährungen verwehrt, sind sie für Putin ein geeignetes Mittel, Sanktionen zu umgehen.

      Mit der Begründung jetzt zu verlangen Tether muss alles tun, um zu unterbinden, dass es von „bösen“ Kräften ausnutzbar ist, finde ich reichlich naiv.

      Mit der Möglichkeit, in den Smart Contract einzugreifen hat sich Tether selbst in die Position manövriert, das auf Anfrage auch tun zu müssen. Das Dumme ist, dass die Beweise offen auf der Blockchain liegen. Einen Privacy-by-default Stablecoin würde man aber wohl noch stärker bekämpfen als z.B. Monero…

      • Ja, ganz nach Autokraten-Art, wie man es auch in Nordkorea und dem Iran beobachten kann: Das eigene Volk soll sich den monetären Sanktionen durch die Staatsführung auf keinen Fall durch Kryptowährungen entziehen oder damit gar Geld außer Landes schaffen, aber wenn es darum geht, die Sanktionen der anderen Länder zu umgehen, sind sie wieder ganz willkommen …

  3. Mittlerweile muss man aber auf gefühlt allen Seiten ein Abo abschließen, um einzelne Artikel zu lesen, was ich ganz sicher nicht tun werde, zumal mein KYC-Profil ganz sicher mit allen gelesenen Artikeln angereichert wird.

    Ich glaube die jeweiligen Medien sind sich überhaupt nicht bewusst, wieviele mögliche zahlende Abonenten Ihnen da jeden Tag durch die Lappen gehen. Ein anonymes Abo im Internet wäre genau wie die Zeitung anonym am Kiosk zu kaufen.
    DW.com hat übrigens sogar einen Onionserver. Die machens richtig. Sie brauchen damit aber natürlich auch kein Geld machen.

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