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Runes: Bitcoin-Gebühren eskalieren wegen „Shitcoin-Protokoll“

Runen findet man gewöhnlich auf Steinen in Nordeuropa, in der Regen eher auf großen, in den Boden gestampften, anstatt auf kleinen, handlichen. Bild von Nathaniel_U via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

An sich wäre das Halving ein Non-Event geworden: Block 840.000 kam, Preis blieb stabil, Hashrate brach nicht ein. Doch das zum Halving live gegangene Runes-Protokoll wühlte den Markt auf – zur Freude der Miner und zum Ärger der User.

In der Nacht von Freitag auf Samstag fand das Bitcoin-Halving statt, das Ereignis, dem die Bitcoin-Community seit fast vier Jahren entgegen fieberte, oder, präziser gesagt, seit 210.000 Blöcken.

Was den Preis und die Hashrate angeht, ist zunächst … rein gar nichts geschehen. Beides blieb stabil. So kennt man das von den bisherigen Halvings.

Mit dem vierten Halving brach die fünfte Reward-Ära an. 93,75 Prozent aller Bitcoins sind geschürft, die Miner werden in den kommenden 210.000 Blöcken (etwa vier Jahre) weitere 3,125 Prozent erzeugen.

Es hätte ein Halving wie jedes andere werden können: Heiß erwartet, aber unscheinbar, wenn es passiert. Doch es kam anders. Die fünfte Reward-Ära wurde geradezu mit einem Feuerwerk begrüßt.

Alles normal – außer die Gebühren

Schauen wir uns zuerst einmal die Statistiken an, mit denen man die Vitalwerte von Bitcoin misst: Die Hashrate steigt unverändert weiter, der Preis bleibt stabil, die durchschnittliche Blockgröße unauffällig.

Man erkennt eine leichte Zunahme an Transaktionen. Mit ungefähr 650.000 Transaktionen war der 20. April für Bitcoin der geschäftigste Tag seit Januar. Aber die Signifikanz verschwindet bereits im 6-Monats-Chart.

Soweit alles, als wäre nichts gewesen. Aber es gibt eine Sache, die ins Auge sticht: die Einnahmen der Miner. Eigentlich sollten sie sich, wie der Name sagt, HALBIEREN. Schließlich schöpfen sie je Block nur noch 3,125 anstatt 6,25 Bitcoin. Doch es geschah das Gegenteil.

Die Einnahmen der Miner explodierten. An einem normalen, tendenziell guten Tag vor dem Halving, wie dem 17. April, nahmen die Miner am Tag 61 Millionen Dollar ein. Am 20. April waren es 107 Millionen Dollar. Fast das Doppelte!

Tägliche Einnahmen der Miner nach blockchain.com

Den Grund findet man schnell: Die Transaktionsgebühren schnellten nach oben. Am 19. April erhielten die Miner von den Usern noch 116 Bitcoin als Gebühr für Transaktionen, was ein relativ normaler Wert ist. Am 20. April dagegen waren es 1257 Bitcoin – ein Rekord! Noch nie wurden so viele Transaktionsgebühren bezahlt, weder in Bitcoin noch in Dollar.

Die gesamten täglichen Gebühreneinnahmen der Miner. Chart von blockchain.com.

Das Halving hatte den Block Reward halbiert – doch die Gebühren glichen ihn doppelt oder dreifach aus.

Was da los war? Die Antwort ist nicht zu übersehen: Runes waren los.

Ein ernsthaftes Protokoll für nicht-ernsthafte Token

Block 840.000 halbierte nicht nur die Schöpfung neuer Bitcoins, sondern erweckte auch das Runes Protokoll zum Leben. So hatte es Runes-Erfinder Casey Rodarmor bestimmt.

Casey ist auch der Erfinder von Ordinals, dem Protokoll, das über Taproot NFTs in Bitcoin hineinstampft. Mit Runes präsentiert er nun ein Protokoll für fungible Token, so wie Stablecoins oder eben Bitcoin selbst.

Die gibt es eigentlich schon mit BRC-20, einem Protokoll, das auf Ordinals aufbaut, und das im letzten Jahr einen kleinen Hype entfacht hat. Runes ist aber, meint Rodarmor, das bessere Protokoll. Es verwendet nicht die Datenstruktur der Ordinals – was bei BRC-20 schon immer ein unbequemer Hack war – sondern das Textfeld in Op_Return.

Runes sind als UTXO gespeichert, und man kann mehrere verschiedene Token in eine Transaktion packen, so wie eben Bitcoin-UTXOs. Das macht die Transaktionen kleiner, den Transfer effizienter – und es erlaubt prinzipiell, die Token als HTLC Lightning-fähig zu machen. Runes sind, meint Rodarmor, „ein legitimer Mitbewerber zu Taproot Assets und RGB-Token.“

An sich hält Casey gar nicht so viel von Token. Er meint, er sehe „ernsthafte Token“ skeptisch, habe aber keinen Zweifel, dass Runes ein „ernsthaftes Token-Protokoll“ sei. In einem Podcast sagte er unverblümt, es sei ein Protokoll für Shitcoins.

Runes stürmen die Blockchain

Der Erfolg von Runes ist bisher umwerfend. Runes dominierte die Blockchain und drückte alles andere raus. In den ersten 80 Blöcken nach dem Halving, also den ersten 13 Stunden, waren mehr als 85 Prozent der Transaktionen Runes-Transfers.

Am 20. April machten Runes fast 58 Prozent aller Bitcoin-Transaktionen aus. Am 21. waren es noch 52 Prozent, heute sind es bisher 34. Normale Ordinals und BRC-20-Token sind dagegen mit weniger als einem Prozent irrelevant geworden.

Anteil der Runes (ganz rechts, magentafarben) an allen Bitcoin-Transaktionen nach einem Dashboard auf Dune Analytics.

Die Runes steigern den Wert einer Transaktion an sich: Man kann mit einer Transaktion auch Token „minten“, also erschaffen, was prinzipiell einen höheren Eigenwert hat als der reine Versand von Bitcoin. Daher stiegen die allgemeinen Gebühren rasant.

Gebühren je Transaktion nach blockchain.com

Im Durchschnitt kostete eine Transaktion am 20. April 127 Dollar. Ganz einfache Transaktionen mit einem Input werden etwas günstiger gewesen sein, wer hingegen viele UTXOs kombinierte, konnte auch rasch bei wesentlich höheren Beträgen landen. Das war gut für die Miner – aber ärgerlich für die User.

Wie es mit Runes weitergeht

Natürlich: wer Bitcoins im Lightning-Netzwerk hat – was man immer haben sollte – konnte einigermaßen problemlos bezahlen.

Allerdings wird auch Lightning über kurz oder lang betroffen sein. Um Lightning zu benutzen, muss man Payment Channels öffnen und schließen, und Routing-Nodes müssen die höheren Betriebskosten weitergeben – falls die Gebühren dauerhaft hoch beiben.

Tatsächlich sieht es aber eher so aus, als klinge der Hype nach einem Senkrechtstart wieder aus. Falls man dies schon heute abschätzen kann. Der Anteil der Runes an allen Transaktionen sinkt, die Gebühren je Transaktion beruhigen sich wieder. Man kann annehmen, dass der Markt Runes mittelfristig auf ein ähnliches Format stutzt wie Ordinal-Inscriptions oder BRC20-Token: nicht tot, aber auch nicht übermäßig relevant.

Was das Ökosystem angeht, gibt es bisher wenig vielversprechendes. Alle irgendwie beliebten Token, die etwa auf runealpha.xyz angezeigt werden, scheinen Meme-Coins zu sein. Am beliebtesten ist „Satoshi Nakamoto Inu“, danach folgt ein Coin namens „Z•Z•Z•Z•Z•FEHU•Z•Z•Z•Z•Z“, und soweit ich es sehe, haben die bisherigen Rune-Token noch nicht mal eine Internetseite.

Die bisherigen Runes wirken wie Token, die ihr eigener Zweck sind, weil es nun eben ein Protokoll für sie gibt. Wie bei Ordinals und BRC20-Token funktioniert das kurzfristig, doch um mittelfristig relevant zu sein, müssen Token mehr sein: Stablecoins, ICO-Token (quasi Aktien), Governance-Token für eine DAO, „Real World Assets“, die etwa mit Dividenden verbunden sind, Bruchteile eines NFT-Kunstwerkes und mehr.

Bisher zeigt das Runes-Ökosystem kein Anzeichen dafür, dass solche Token in Planung sind. Doch wer weiß? Vielleicht wird die Energie, die Runes ohne Zweifel frei gesetzt hat, dafür genutzt, etwa einen Stablecoin in Lightning zu bringen oder andere nützliche Assets,

Und wenn nicht – dann hat Bitcoin nun eben ein Vehikel „on top“, um Shitcoins und Memecoins zu tauschen und Sammler und Spekulanten zu beglücken. Was kein Durchbruch wäre, aber Bitcoin dennoch besser macht als zuvor.

Über Christoph Bergmann (2807 Artikel)
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3 Kommentare zu Runes: Bitcoin-Gebühren eskalieren wegen „Shitcoin-Protokoll“

  1. An sich hält Casey gar nicht so viel von Token. Er meint, er sehe „ernsthafte Token“ skeptisch, habe aber keinen Zweifel, dass Runes ein „ernsthaftes Token-Protokoll“ sei. In einem Podcast sagte er unverblümt, es sei ein Protokoll für Shitcoins.

    🙂

    Runes ist also für Bitcoin dasselbe, wie „Die Partei“ fürs Europa Parlament.
    Damit hat er sich in jedem Fall schon mal den Martin Sonneborn Gedenkpreis verdient.

    • Ich halte Herrn Sonneborn für deutlich weniger schädlich als eine VdL.

      Mehr noch, er zeigt auf seine satirische Weise Misstände auf, die eigentlich gelöst werden sollten, aber die Bürokraten dort fühlen sich noch abgehobener von ihren Bürgern als nationale Politiker, weil man noch viel weniger von ihrer „Arbeit“ mitbekommt…

      Back2Topic
      Was man von den Runes hält oder nicht, ist eigentlich egal. Solange es gemäß Protokoll eine gültige Transaktion ist, ist sie eben valide. Bitcoin Maxis sollten sich eher ernsthaft Gedanken machen, wie man denn skalieren möchte… Aktuell sehe ich da eher schwarz: Die Block Size ist heilig, bei Lightning haben mittlerweile die härtesten Verfechter ihre Zweifel und eine plausible Skalierungsmöglichkeit ist nicht in Sicht. Ach, ich vergaß, man hält „seine“ Bitcoins neuerdings eh lieber in Custody von Coinbase, macht ja der Oberbitcoiner Saylor auch und die Wallstreet!!!

  2. VdL?

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