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Venezuela: Bolivar kollabiert, Regierung bindet Währung an Kryptowährung

Fiatkrise

Straße in Caracas. Bild von Zaprittsky via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Nachdem die Währung von Venezuela, der Bolivar, kollabiert ist, plant die Regierung eine Währungsreform. Der neue Bolivar soll künftig an die landeseigene Kryptowährung, den Petro, gekoppelt sein. Damit könnte Venezuela das erste Land mit einem Ölstandard werden.

Am Wochenende hat der Präsident von Venezuela, Nicolas Maduro, eine Serie von drastischen Maßnahmen angekündigt, die dem Land helfen soll, den Kollaps der Wirtschaft abzuhalten. Das vermutlich größte Problem des sozialistisch regierten Landes ist der Verfall der eigenen Währung, des Bolivars. Dessen Wert ist zwar bisher offiziell an den Dollar gekoppelt, befindet sich aber auf den Schwarzmärkten seit langem im freien Fall. Mittlerweile hat die Inflationsrate 33.000 Prozent erreicht, die Supermärkte sind leer, die Menschen verhungern; die humanitäre Krise droht nicht länger, sondern ist ausgebrochen.

Um diesen Kollaps, der seit Jahren im Zeitraffer geschieht, abzuhalten, möchte Maduro nun zunächst den Bolivar abwerten – und zwar um 95 Prozent: von offiziell 285.000 Bolivar je Dollar auf 6 Millionen. Dies dürfte die größte Währungsabwertung der Geschichte sein – ist aber vermutlich nur ein Akzeptieren der Realität der Schwarzmärkte, die abseits der offiziellen Wechselstellen längst zu einem Kurs in dieser Größenordnung gefunden haben.

Der vielleicht interessanteste Aspekt der Währungsreform ist, dass der neue Bolivar an den Petro gekoppelt sein soll. Der Petro ist die nationale Kryptowährung von Venezuela, die die Regierung Anfang des Jahres per ICO herausgegeben hat. Ein Petro soll dabei durch ein Barrel, also 159 Liter Rohöl gedeckt sein, was etwa 60 Dollar entspricht. Ein halber Petro wird, so Maduro, künftig der neue Mindest-Monatslohn für Venezuela sein, was deutlich höher ist als viele derzeit bezahlte Löhne. Kleine Unternehmen werden für die ersten 90 Tage von der Regierung bezuschusst, um sich diese Löhne leisten zu können.

Die Nachricht hat am Wochenende in der Hauptstadt Caracas für Aufregung gesorgt. Läden haben geschlossen, während Leute zu Hamsterkäufen in die Supermärkte und Tankstellen gestürmt sind. Für die Zeit der Währungsreform werden Bankdienstleistunugen für 24 Stunden suspendiert, um danach den Bolivar mit der neuen Nominierung zu verwenden.

Kryptocoins als Wertanker und Recheneinheit

Damit scheint Venezuela die hauseigene Kryptowährung weniger als Zahlungsmittel denn als Rechnungseinheit benutzen zu wollen. Während im echten Leben weiterhin mit Scheinen bezahlt wird, fungiert der Petro im Hintergrund als Wertanker und als Recheneinheit für Gehälter und, eventuell, Bilanzen und Rechnungen.

Dies entspricht dem, was ein (scheinbarer) Venezuelaner über das Verhältnis seiner Landsleute zu Kryptowährungen berichtet: Das Land ist technisch nicht darauf vorbereitet, eine digitale Währung im Alltag zu verwenden: Die Mobilfunk- und Internetverbindungen sind miserabel, die Technologie ist stark rückständig und bei Smartphones etwa auf dem Stand von 2012 oder 2013. Kryptowährungen werden weniger als Zahlungsmittel denn als Chance verstanden, um Werte vor dem Kollaps der eigenen Währung zu retten.

Währungspolitisch wäre dies ein interessantes, bewährtes Konzept. Schon im 17. Jahrhundert wurde der Rheinische Gulden mit seinem Vollwert für die Buchführung eingesetzt, während die umlaufenden schon lange massiv abgewertet hatte. In den Zeiten von Goldstandard und Bretton Woods schließlich diente Gold als Basis für den Wert der Währungen, was relativ gut funktioniert hatte.

Mit dem Petro würde Venezuela zum vermutlich ersten Land werden, das eine Volkswirtschaft auf eine Ölbasis stellt. Dies könnte keine schlechte Idee sein. Zumindest in der Theorie. In der Praxis sieht es allerdings anders aus. Denn der Petro scheint nicht die Qualitäten zu besitzen, die eine starke, als Standard taugliche, Währung braucht.

Massive Zweifel am Petro

Die Regierung hat den Petro Anfang des Jahres mit einem für die Kryptoszene typischen Instrument geschaffen – mit einer ICO. Die Regierung hat die Ölreserven auf einem noch nicht erschlossenen Feld bei Ayacucho als Basis genommen, um 100 Millionen ERC20-Token an Investoren anzubieten. Angeblich hat sie damit bereits 750 Millionen Dollar eingenommen, was den Petro zu einer der erfolgreichsten ICOs überhaupt machen würde. Ab dem 20. August soll es offiziell möglich sein, den Petro gegen 60 Dollar zu tauschen.

Allerdings gibt es starke Zweifel an diesen Zahlen und am Petro insgesamt: Es gebe keine Wallet, keine Möglichkeit, die Token zu kaufen, keinen Smart Contract, so ein Kritiker, und das Rohöl, das von Venezuela verkauft werde, erziele wegen der mangelnden Verabreitung und Qualität niemals den Weltmarktpreis von 60 Dollar je Barrel – wenn es denn jemals erschlossen werde.

Es gibt also Zweifel am Wert des Petros, und es fehlt vollständig an Transparenz, um etwa nachzuprüfen, ob die Bolivar tatsächlich durch Petro und die Petro durch Öl gedeckt sind. Die Hoffnung, dass die Währungsreform den Wertverlust des Bolivars aufhält, sollte daher nicht zu hoch sein. Besser wäre es vermutlich gewesen, wenn die Regierung ihre neue Währung durch die Einheiten einer echten Kryptowährung gedeckt hätte.

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5 Kommentare zu Venezuela: Bolivar kollabiert, Regierung bindet Währung an Kryptowährung

  1. Petro= klassischer ico scam, Bitconnect lässt grüßen.. whatamma gonna doo ?

    Hätten lieber mal Btc benutzt. 2013 android Smartphone läuft doch super mit einem bitcoin wallet. Naja wer nicht will der hat schon.

  2. Dash ist in Venezuela sehr präsent und wird dort vieler Orts bereits als Währung akzeptiert. Grüße

    • Das halte ich für ein Gerücht, welches von irgendwelchen Marketing Leuten der üppig finanzierten Treasury verbreitet wird. Google Trends zeigt z.B. zwar einen Ausschlag, der allerdings nur durch irgendein Musikvideo veranlasst wurde.
      Von Dash kommt nichts mehr, wo bleibt das großkotzig angekündigte Evolution? Delayed seit über einem Jahr… Überhaupt irgendwelche technischen News? Mit Marketing allein stellt man sich in die Bitconneeeeeeeeeeeeeeect Ecke.

      Ein Freund aus Venezuela hat jdf. noch nie irgendwo ein Dash Logo gesehen oder je davon gehört, im Gegensatz zu Bitcoin. Jeder vernünftige Mensch dort, der irgendwie Zugang zu Devisen oder Crypto hat, bringt sich und seine Familie im Ausland in Sicherheit. Crypto gegen Bolivar zu verkaufen, war noch vor einem Jahr ein Geheimtipp für Touristen, aber das macht heute kein Mensch mehr oder zu Preisen jenseits von gesundem Menschenverstand…

      Venezuela hätte in der Krise durchaus das Zeug dazu, zum ersten Krypto-Staat zu werden, zumal man bedingt durch die staatlichen Erdöleinnahmen nicht unbedingt auf Steuern angewiesen ist. Aber der Start mit einem mindestens zweifelhaftem Petro lässt leider nichts Gutes vermuten.

  3. auf http://elpetro.gob.ve/#about steht im MANUAL COMPRADOR
    Beta Version 5.1 das der petro ein NEM Token und kein ERC20 ist.

    • Auf diesem Auge(NEM) scheint Herr Bergmann etwas blind zu sein…(tut mir Leid, konnte ich mir leider nicht verkneifen)…., heise hat es heute besser gemacht.
      Wir sollten aber abwarten, wie es in der nächsten Zeit weitergeht. Es steht jedem frei die verschiedenen Blockchains für seine Zwecke zu verwenden, aber ich gehe davon aus, das niemand von uns wirklich daran Interessiert ist, das die Blockchain (welche auch immer), für politische Zwecke “missbraucht” wird.
      Was allerdings wohl eher eine Milchmädchenrechnung ist……..

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