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KYC-Hook für Uniswap: Droht dezentralen Börsen dieselbe Regulierung wie traditionellen Börsen?

Ein Einorn aus recyceltem Stahl in Fayetteville. Bild von City of Fayetteville via flickr.com. Lizenz: Öffentliche Domäne

Uniswap, die wichtigste dezentrale Börse, führt sogenannte Hooks ein. Eine Hook erlaubt es auch, die Identität von Händlern zu verifizieren. In der Szene fürchtet man, dass damit die Tage eines erlaubnisfreien DeFi-Ökosystems zu Ende gehen, und dass „dezentrale Finanzen“ künftig nur noch eine hohle Phrase sein wird …

Uniswap, die größte dezentrale Börse, die selbst im müdestens Bärenmarkt noch ein Tagesvolumen von rund einer halben Milliarde Dollar stemmt, ist längst ein Fixstern am Himmel der Dezentralen Finanzen.

Info: Dezentrale Finanzapps (DeFi) wie die Börse Uniswap sind keine Unternehmen, sondern ein Gefüge von Smart Contracts auf Ethereum und anderen Blockchains. Diese Smart Contracts bilden eine Börse nach, indem sie die Interaktion dezentral verbundener Parteien strukturieren. Die Internetseite ist kein Zentrum, sondern nur ein Interface; sie kontrolliert nichts, sondern hilft Usern nur, mit den Smart Contracts zu interagieren. Jegliche Operation findet dezentral über die Wallets der User statt.

Mit der vierten Version des Protokolls hat Uniswap im Sommer 2023 sogenannte Hooks eingeführt. Das sind Plugins, durch die man Liquiditätspools mit eigenen Features anreichern kann. Liquiditätspools sind sozusagen die vielen Säulen von Uniswap: In ihnen liegen Bestände von zwei Kryptowährungen – zum Beispiel WBTC und ETH – mit deren Hilfe User ihre Coins wechseln können. Die Hooks erlauben es, die Pools zu individualisieren. „Sie führen“, erklären die Uniswap-Entwickler auf Twitter, „Code an Schlüsselstellen in der Chronologie eines Pools ein, etwa vor oder nach einem Wechsel.“

Uniswap Labs geht mit gutem Beispiel voran und stellt das selbstentwickelte Hook „Time-Weighted Average Market Maker“ (TWAMM) vor. Dieses soll es einem Pool erlauben, den Einfluss großer Trades auf den Preis zu reduzieren, indem es diese aufspaltet und über die Zeit hin ausführt. Andere Hooks führen neue Oracles ein, erlauben Limit Orders anstatt der üblichen Käufe zum Marktpreis, bringen dynamische Gebühren ins Spiel oder ermöglichen einen Hedge gegen „impermanent losses“, also Verluste, die Liquiditätsprovidern entstehen, wenn die Assets, die sie beisteuern, ihre Balance verlieren.

Kurzum: Hooks dezentralisieren die Entwicklung der Mechanik des Wechsels bei Uniswap. Sie erlauben es, vieles auszuprobieren, ohne die Kernfunktionalität der Börse zu gefährden.

KYC für Uniswap

An sich sind Hooks wunderbar. Aber eben nur an sich. Denn sie tragen auch das Potenzial in sich, Uniswap auf eine unerfreuliche Weise zu ändern. Das sieht man etwa in dem Verzeichnis der Hooks „From the Community“.

Darin findet man auch Hooks, die die Teilnahme an den Pools begrenzen. „Whitelists“ erlaubt nur bestimmte Adressen, „NFT Owners Only“ nur Besitzer bestimmter NFTs, und, am deutlichsten: „KYC“ verlangt, dass eine Art Identitätsprüfung durchgeführt wird, bevor ein User handeln darf. Hooks machen es möglich, Pools zu bilden, in denen nur verifizierte, professionelle, volljährige, europäische, russische Investoren, Parteimitglieder, Männer, Frauen, Prinzen, Brahmanen, Katholiken und so weiter handeln dürfen.

Das brüllt natürlich danach, dass die Hooks zum Einfallstor werden, um DeFi zu regulieren. „Es startet als ‚Option‘, aber wir alle wissen, wie es endet … Uniswap ist ein Fake DeFi“ klagt ein Krypto-Influencer auf Twitter. Mehr Optionen, könnte man sagen, umfasst auch die Option, weniger zu erlauben, und mehr Freiheit beinhaltet auch die Freiheit, neue Zwänge einzuführen.

Bitcoinik, ein auf Bitcoin fokussiertes Online-Magazin, erwartet wegen der Hooks sogar, „dass alle Defi-Protokolle in der nahen Zukunft KYC-Barrieren einführen. Man könnte auch sagen, dass die Definition von Defi-Protokollen in den nächsten Jahren eine andere sein wird.“ DeFi wird sich an TradFi angleichen, das traditionelle Finanzwesen, wird dessen Restriktionen und Schwerfälligkeiten übernehmen und am Ende maximal ein technisches Upgrade sein, dem die revolutionären Zähne restlos gezogen wurden.

KYC als Chance

Man kann das so sehen, und es ist auch wichtig, frühzeitig zu warnen und wachsam zu bleiben. Das verlangt Freiheit und Dezentralität immer. Allerdings sollte man auch nicht übertreiben. Es besteht noch längst kein Anlass für Hysterie. Vielmehr kann man in optionalem KYC sogar eine Chance sehen. Ohne die Verifizierung von Usern wird es dezentralen Börsen vermutlich niemals möglich sein, Aktien oder Staatsanleihen – traditionelle Wertpapiere, die Zinsen oder Dividenden abwerfen – zu handeln.

Auch das Modell, das zu einer KYC-Prüfung durch NFTs tendiert, ist eher vielversprechend als dystopisch. Identitätsdienstleister können (Soulbound) NFTs ausgeben, die bestätigen, dass ein Besitzer einer Wallet verifiziert ist, ohne dass diejenigen, die das Token anerkennen, die Identität tatsächlich kennen müssen. Es reicht, im Falle eines Problems zu wissen, dass die Identität lüftbar ist. Ein solches Modell wäre technisch möglich und ein gewaltiger Fortschritt gegenüber dem primitiven KYC, das wir heute haben. Heute muss man seine privaten Daten samt Ausweis-Foto bei jeder Bank und Börse einreichen und sogar vorweisen, wenn man eine Sim-Karte aktiviert. Das führt unvermeidbar, dass die privaten Daten auf Dutzenden von Servern darauf warten, durch den nächsten Hack im Darknet zu landen. Ein NFT wäre sowohl diskreter als auch sicherer.

Wenn eine Uniswap Hook Identitäts-NFTs etabliert, etwa für den Handel mit Staatsanleihen oder Aktien, wäre dies ein Gewinn, der weit über Uniswap selbst hinausgeht. Er würde einerseits Blockchain und echte Welt näher zusammenbringen, könnte andererseits aber auch die Schienen verlegen, um das herkömmliche digitale Identitätswesen endlich auf eine solide Basis zu bringen.

Kein Anlass zur Hysterie

Neben diesen Vorteilen besteht kein Anlass zur Dramatisierung. Ein Hook ist zuerst einmal nur eine Option, für die sich Pools entscheiden können. Manche Hooks können die Pools für die User bequemer machen – etwa das oben erwähnte TWAMM oder auch eine Versicherung gegen Impermanent Loss – doch ein KYC gehört nicht dazu. Die Prüfung von Identität ist zunächst einmal eine Last, die man vermeidet, wenn es möglich ist.

Mehr Einschränkungen bedeutet weniger Trader, also weniger Umsatz und damit weniger Einnahmen für Liquiditätsprovider, was in einer geringeren Liquidität und schlechteren Preisen resultiert, weshalb es weniger Trader geben wird und so weiter. Bei gängigen Pools, wie die starken Währungspaare mit Ether, Bitcoin und Dollar, besteht keine Chance, dass ein KYC-Pool die Führung übernimmt. Auch nicht bei der Masse an Pools, die neue Altcoins und Token schneller integrieren als jede Börse in der Lage ist. Um bestehen zu können, müssen KYC-Pools etwas bieten, das andere Pools nicht haben. Beispielsweise Staatsanleihen, echte Aktien oder ein besonderes Backup. Sie werden also vermutlich eine Nischenerscheinung bleiben.

Selbst wenn alle Uniswap-Pools das KYC-Hook einführen, gibt es genügend andere dezentrale Börsen, deren Entwickler außerhalb der Reichweite von Regulierern und Gesetzeshütern operieren. Maximal als Vorbote eines globalen Verbots von KYC-freien DeFi-Apps – was vermutlich unmöglich durchzusetzen ist – können Hooks Teil der Regulierung von DeFi sein. Daher kann man sich an der Stelle entspannen und die Option, KYC in die Pools zu integrieren, als das betrachten, was sie ist: eine Option, die den Raum des Möglichen nicht beschränkt, sondern erweitert.

Über Christoph Bergmann (2807 Artikel)
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1 Kommentar zu KYC-Hook für Uniswap: Droht dezentralen Börsen dieselbe Regulierung wie traditionellen Börsen?

  1. Ich nutze selbst aave und Uniswap mit metamask, sehr einfach zu bedienen und bisher günstiger als cex.

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