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Chainalysis berichtet, dass nur 0,34% des Bitcoin-Transaktionsvolumens kriminell ist – erklärt aber selbst, warum diese Zahl krumm ist

Cybercrime. Bild von Richard Patterson / Comparitech via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Der Blockchain-Analyst Chainalysis hat seinen Bericht über Kriminalität im Kryptosektor für 2023 veröffentlicht. Auf den ersten Blick ging die kriminelle Aktivität deutlich zurück.

Nicht jeder ist ein Fan von Blockchain-Analysten wie Chainalysis. Schließlich untergraben sie mit voller Absicht die Privatsphäre, die Kryptowährungen eigentlich bieten sollten. Unbestreitbar liefern sie aber interessante Einblicke über das, was auf den verschiedenen Blockchains passiert. Ein Beispiel dafür ist der Bericht „Crime in Crypto“ von Chainalysis.

Vor kurze hat der Analyst einen Vorauszug des Berichts für 2023 veröffentlicht. Er glänzt zunächst mit einer schönen Nachricht, die viele Kryptomedien gerne teilen: Das Jahr sah „einen signifikanten Rückgang der Werte, die durch gesetzeswidrige Adressen empfangen wurden.“ Noch 2022 betrug das kriminelle Volumen 40 Milliarden Dollar, 2023 waren es nur noch 24 Milliarden. Es hat sich also fast halbiert!

Diese Summe entspricht, erklärt Chainalysis, 0,34 Prozent des gesamten Onchain-Volumens. Das ist ziemlich wenig und dürfte deutlich unter den Anteilen von Fiatwährungen liegen, vor allem dem Dollar. Während Bitcoin allerorts als Gangster-Geld verschrien wird, ist es in Wahrheit die vermutlich sauberste Währung überhaupt.

Oder? Die Sache hat leider einen kleinen, aber spitzen Haken.

Warum die Prozentangabe sinnfrei ist

Zunächst ist der Trend hin zu „weniger Crime“ nicht so sauber, wie er sich bisher anhört. 2022 war ein absolutes Rekordjahr, was nicht zuletzt an der FTX-Pleite liegt. Die Ansprüche der FTX-Gläubiger belaufen sich auf ungefähr 10 Milliarden Dollar, womit der Rückgang krimineller Zahlungen schon ein Stück weniger beeindruckend ausfällt.

Vor allem aber erklärt Chainalysis unverhohlen selbst, warum die Summe viel zu tief liegt und die Prozentangabe „0,34“ unbrauchbar ist. Denn der Analyst zählt auf, welche Transaktionen NICHT in die Statistik eingehen:

  • Noch nicht aufgedeckte gesetzeswidrige Adressen. Oft hinkt die Analyse der kriminellen Wirklichkeit hinterher. Im Januar 2023 ging Chainalysis etwa noch von einem Volumen von 20,6 Milliarden Dollar für 2022 aus. Dieser Betrag hat sich fast verdoppelt, nachdem einige hochaktive Adressen sanktionierter Dienstleister identifiziert wurden. Daher ist zu erwarten, dass die finalen Zahlen für 2023 ebenfalls höher liegen werden.
  • Nicht in die Statistik fließen Einkünfte aus konventioneller Kriminalität ein, etwa wenn Bitcoin für den Drogenhandel außerhalb des Darknets verwendet wird. Diese Transaktionen sind schlicht nicht von anderen zu unterscheiden.
  • Auch Zahlungen an Plattformen, die zwar des Betruges beschuldigt werden, aber noch nicht gerichtlich überführt wurden, tauchen nicht auf. Wer die Krypto-Ökonomie kennt, weiß, dass die Dunkelziffer enorm hoch sein dürfte. Wenn die Behörden und Gerichte überhaupt handeln, dann oft erst Jahre später.
  • Erträge aus der Manipulation der Märkte sind nicht enthalten, da dies eine Grauzone ist.
  • Schließlich fallen Zahlungen für die Geldwäsche weg. Denn Chainalysis kalkuliert nur die Einkünfte, nicht jedoch das Transaktionsvolumen. In der Regel zieht jeder kriminell eingenommene Bitcoin einen Rattenschwanz an Geldwäsche-Transaktionen nach sich.

Der letzte Punkt zeigt klipp und klar: Die Angabe in Prozent des gesamten Onchain-Volumens ist vollständig sinnfrei. Es geht nichts ums Volumen, sondern um Einkünfte. Wer die beiden gegeneinander rechnet, vermischt zwei verschiedene Kategorien. Dies macht die Angabe „0,34 Prozent“ schlicht zu einer Misinformation, die die Realität nicht beleuchtet, sondern verschleiert.

Krypto-Crime im Wandel der Zeit

Aber wir wollen den Bericht nicht auf dieses Fettnäpfchen reduzieren. Dazu liefert er zu viele interessante Erkenntnisse, etwa darüber, wie sich die Krypto-Kriminalität verändert hat.

So war bis 2021 Bitcoin die mit Abstand am häufigsten benutzte Kryptowährung. Ab 2022 haben Stablecoins diese Stellung übernommen, was auch 2023 der Fall war. Dies korrespondiert mit dem weiteren Trend auf den Kryptomärkten und auch im Remittance (den Rücküberweisungen von Gastarbeitern), wo Stablecoins wie Tether und USDC Bitcoin ab 2021 vom Thron gestoßen haben.

Das wirklich interessante kommt aber noch: Der Bericht von Chainalysis zeigt, dass sich dieser Trend eben NICHT im kriminellen Bereich wiederfindet. Im klassischen Bitcoin-Crime ist Bitcoin weiterhin King: Auf den Darknetmärkten, dem Handel mit verbotenen Gütern wie Medikamenten, Ransomware-Zahlungen, der Verbreitung von Malware – Bitcoins Stellung als Leitwährung des Darknets bleibt unangefochten. Weder Stablecoins noch andere Kryptowährungen haben hier nennenswerte Marktanteile gewonnen, noch nicht mal der Privacycoin Monero.

Stablecoins regieren dagegen andere kriminelle Disziplinen. Dies sind insbesondere die Transaktionen von sanktionierten Personen oder Unternehmen sowie in oder aus sanktionierten Jurisdiktionen wie Russland, dem Iran, Nordkorea oder Venezuela. Hier spielt und spielte Bitcoin so gut wie keine Rolle. Stablecoins haben Bitcoin nicht verdrängt – sie haben kriminelle Aktivitäten erschlossen, bei denen Bitcoin niemals Fuß fassen konnte.

Bis zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine spielten Sanktionen so gut wie keine Rolle in der Krypto-Kriminalität. Seitdem nehmen sie einen immer größeren Teil des illegalen Zahlungsvolumens ein. 2023 stellten sie sogar deutlich mehr als die Hälfte des Volumens.

Bei anderen kriminellen Sektoren ist seit 2021 eher ein Rückgang zu beobachten. Betrug und Diebstahl gehen zurück, auch wenn Chainalysis betont, dass die Dunkelziffer der immer häufiger auftretenden Romance-Scams hoch sein dürfte.

Bei Ransomware und Darknetmärkte stellt Chainalysis zwar ein Wachstum im Vergleich zu Vorjahr fest. Bei Darknetmärkten erklärt der Analyst dies durch die Erholung nach dem Hydra-Shutdown 2022. Für beide Bereiche sollte man aber anerkennen, dass das Volumen seit 2020 weitgehend stagniert, und Schwankungen eher veränderte Quoten der Aufdeckung wiedergeben können.

Über Christoph Bergmann (2813 Artikel)
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