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Stablecoin-Volumen erreicht neuen Rekord im Juni

Alexander Hamilton hat gut lachen bei all den Stablecoins. Großaufnahme eines 10-Dollar-Scheins. Bild von Eli Christman via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Das Transaktionsvolumen von Dollar-basierten Stablecoins erreichte im Juni mit beinah 55 Milliarden Dollar ein neues Allzeithoch. Dominiert wird es weiterhin von den Tether-Dollar. Doch auch andere Stablecoins gewinnen Raum. Der Dollar wird offenbar zur Leitwährung der Kryptocoins.

Stablecoins sind ein wenig so, als nähme man ein gegrilltes Hühnchen und werfe die Haut weg: Sie benutzen Blockchains, aber verzichten auf das beste daran – auf die eigene Währung.

Dennoch scheint es ein starkes Bedürfnis nach einem Coin zu geben, der die Vorteile der Blockchain nutzt, aber nicht den Nachteil der hohen Volatilität in Kauf nimmt. Daher erfreuen sich die in der Regel Dollar-basierten Stablecoins einer wachsenden Beliebtheit. In allen Fällen außer den DAI-Dollar hinterlegt dabei eine zentrale Partei Dollar auf einem Bankkonto und gibt Stablecoins im gleichen Wert heraus.

Wie The Block berichtet, verzeichnete das bereinigte Transaktionsvolumen der Stablecoins im Juni einen neuen Rekord. 54,9 Milliarden Dollar wurden per Stablecoin versendet, womit der im Vormonat erreichte Rekord von 48,2 Milliarden Dollar noch einmal kräftig übertroffen wurde. Mittlerweile gibt es ein buntes Sammelsurium verschiedener Dollar-Stablecoins, die von verschiedenen Unternehmen herausgegeben werden. Zugpferd sind weiterhin die Tether-Dollar, die schon allein ein Zahlungsvolumen von beinah 45 Milliarden Dollar aufbringen. Auf sie folgen die USDC-Dollar mit etwas weniger als 4 Milliarden sowie die Binance USD und die DAI-Dollar. Eher geringe Rollen spielen die PAX-Dollar, die TrueUSD sowie die Huobi-Dollar.

Nachdem die Stablecoins schon im Februar die Ethereum-Ökonomie dominiert haben, werden sie nun zur wichtigsten Währung der Blockchains. Mittlerweile dürften sie auch mehr Werte transportieren als Bitcoin. Wegen des Wechselgeldes kann man die mit Bitcoin tatsächlich übertragenen Werte nur schätzen; die Charts bei Blockchain.info zeigen im Juni ein Zahlungsvolumen von ungefähr 42 Milliarden Dollar. Zudem scheint das Vvolumen von Bitcoin zu stagnieren, während das der Stablecoins stark ansteigt. Der Dollar hat im Lauf der letzten Monate Bitcoin als Leitwährung der Blockchains abgelöst – und das, während die Banken und Zentralbanken das Phänomen vollkommen ignorieren, sich über geplanten Stablecoins wie Libra oder dem digitalen Yuan sorgen und zögerlich beginnen, darüber nachzudenken, eigene Stablecoins zu etablieren.

Die Dominanz der von der Mutterfirma von Bitfinex herausgegebenen Tether-Dollar spiegelt sich auch in deren Marktkapitalisierung wieder, die mittlerweile mehr als neun Milliarden Dollar beträgt. Die USDC-Dollar kommen mittlerweile auf etwas mehr als eine Milliarde, während die Dollar von Binance, PAX und Dai zwischen 150 und 250 Millionen Dollar aufbringen. Gemessen an der Marktkapitalisierung ist das Transaktionsvolumen der Stablecoins etwa zehn Mal größer als bei Bitcoin. So bewegt sich jeder existierende Tether-Dollar mehr als vier Mal im Monat, während sich nur jeder vierte existierende Bitcoin einmal im Monat bewegt. Bitcoin dient also eher als Wertspeicher, während die Stablecoins für Transaktionen herhalten.

Wofür konkret die Stablecoins benutzt werden, ist nicht bekannt. Das hohe Handelsvolumen auf Börsen, vor allem von Tether mit 25 Milliarden Dollar am Tag, legt jedoch nahe, dass die Stablecoins vor allem für den Transfer von Werten zwischen Börsen verwendet werden. Auch auf den dezentralen Marktplätzen und DeFi-Anwendungen scheinen Stablecoins eine immer bedeutendere Rolle einzunehmen. Daneben gibt es Berichte, dass im russisch-chinesischen Graumarkt inzwischen Tether-Dollar verwendet werden; der Zahlungsdienstleister BitPay bietet schließlich an, seine Händler mit Stablecoins auszuzahlen.

Technisch betrachtet stimmen solche Werte optimistisch. Die Stablecoins nutzen die Blockchain-Technologie und verleihen ihren Usern dieselbe monetäre Autonomie wie Bitcoin: Die User halten die eigenen Schlüssel, sie können pseudonym mit hoher Privatsphäre überweisen, und auf Ethereum erlauben die Stablecoins es auch, an Anwendungen der Dezentralen Finanzen teilzuhaben, beispielsweise um Zinsen für Erspartes zu genießen. Auch dürfte ein „Dollar ohne Banken“ einen guten Beitrag dazu leisten, dass Bürger in von Inflation geplagten Ländern der zweiten und dritten Welt die Chance haben, ihre Ersparnisse zu erhalten, weil die Blockchain ihnen einen sehr viel besseren Zugang zu Dollar gibt.

Gleichzeitig stimmt diese Ablösung der Leitwährung etwas traurig. Schließlich geht es bei Bitcoin nicht nur darum, den Usern Autonomie im Zahlungswesen zu gewähren. Das Ziel war und ist es, eine neue Währung zu etablieren, die nicht länger von den Zentralbanken herausgegeben, im Zuge einer Geldpolitik langfristig entwertet wird und systematisch die Ungleichheit verschärft. Stattdessen sollte und soll Bitcoin den Weg in ein Zeitalter einleiten, in dem Geld seinen Wert erhält und die Anreize dahingehen, Geld zu sparen anstatt auszugeben. Indem die Entwicklung der letzten Jahre Bitcoin eher zu einem „Asset“ gemacht hat, als einem Wertspeicher, und das Zahlungswesen mehr und mehr zu den Stablecoins fließt, könnte diese Vision in Gefahr geraten.

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11 Kommentare zu Stablecoin-Volumen erreicht neuen Rekord im Juni

  1. Paul Janowitz // 7. Juli 2020 um 12:57 // Antworten

    Christoph, ich vermisse hier etwas kritischere Betrachtung bezüglich der Deckung dieser Stablecoins. Während die Notenbankpressen der ganzen Welt aktuell wieder durchdrehen und durch nichts mehr gedecktes Fiat drucken, drucken die Stablecoin Anbieter, allen voran Tether nicht „vollständig“ durch USD gedeckte Tether, wir haben also ein „Layer2 Fiat“ System mit noch mehr Schwächen als das System, welches Bitcoin eigentlich ablösen wollte.

    Obwohl etliche Guthaben von Tether auf aller Welt bereits eingefroren wurden, obwohl Tether seine Deckung teilweise in Krediten zu unbekannten Konditionen an die Muttergesellschaft Bitfinex „hält“ (und eventuell weitere), die Märkte glauben scheinbar weiter daran. Auch ist fraglich, ob Banken an dubiosen Finanzplätzen die verbleibenden Guthaben bei Bedarf jemals auszahlen würden…

    Bei Bitcoin ist zumindest klar, wie viele Coins in Zirkulation sind und derjenige, der die Keys hat, kann dies problemlos jederzeit beweisen. Nicht zuletzt seit Wirecard wissen wir dagegen, dass Auditinggesellschaften oft scheinbar selbst keinen Überblick haben, was sie absegnen.

    Bei „Stable“coins setzt man erstmal auf den unterliegenden Asset, hier meist USD, dessen Geldmenge sich binnen der letzten drei Monate mal eben um 25% erhöht hat: https://tradingeconomics.com/united-states/money-supply-m1
    Und man vertraut auch noch darauf, dass die Firma hinter dem Stablecoin diese wirklich mit USD gedeckt hat und alle Akteure der positiven Posten auch noch mitspielen.

    Die aktuelle Wirtschaftslage ist mal wieder komplett absurd, denn obwohl alle Wirtschaftsdaten im freien Fall sind, explodieren die Aktienmärkte regelrecht, weil Investoren nicht wissen, was sie mit der Geldschwemme sonst anfangen sollen. Auch Kryptomärkte haben davon „profitiert“…

    • Ja, außer bei den DAI-Dollar vertraut man dem Herausgeber.

      Es ist mittlerweile bekannt, dass Tether wohl nicht vollständig gedeckt sind. Allerdings dürfte die Deckung deutlich höher sein als bei Fractional Reserve Banking, weswegen ich optimistisch bin, dass es hält. Außerdem hat Tether die Dollar teilweise durch Bitcoins gedeckt, deren Wert gestiegen ist, weshalb u. U. sogar eine Überdeckung vorliegt.

      Aber klar, das war natürlich nicht Sinn der Übung …

      • Paul Janowitz // 7. Juli 2020 um 16:12 //

        Deinen Optimismus würde ich gerne teilen, aber Tether ist eben „teilweise gedeckt“ im Fractional Reserve Banking System, also insgesamt noch weniger. Die haben die USD ja nicht gebunkert, sondern bestenfalls als Guthaben im normalen Bankensystem…

        Dass da irgendwann ein richtiger Transparency Report kommt, wage ich sehr stark zu bezweifeln und dass z.B. Tether ein ähnliches Ende wie Liberty Reserve drohen könnte, halte ich angesichts des sehr ähnlichen Geschäftsmodells für wahrscheinlicher als ein Ban von jeglicher (Privacy) Kryptowährung. Da der Kryptomarkt aber praktisch zu 90% oder mehr darauf basiert, könnte ich mir auch einen Kollaps unter das Niveau von Ende 2018 / Anfang 2019 vorstellen.

        Dai sticht tatsächlich als seriöser Stablecoin hervor, aber auch das ist nicht, was ich mir von Bitcoin erwartet habe.

  2. Kommentar zu deinem letzten Abschnitt („Gleichzeitig ….):
    Gutes Geld und schlechtes Geld – was hier passiert ist nicht anders zu erwarten, -steht genau so in deinem Buch.

  3. Sehr guter Einwand Paul,
    2nd Layer, könnte die Kursexplosion der führenden Kryptos bei einem Finanz (Währungs-) crash noch deutlich erhöhen.

    In dem Sinne Popcorn-Time.

  4. „…Liberty Reserve drohen könnte, halte ich angesichts des sehr ähnlichen Geschäftsmodells für wahrscheinlicher als ein Ban von jeglicher (Privacy) Kryptowährung. Da der Kryptomarkt aber praktisch zu 90% oder mehr darauf basiert, könnte ich mir auch einen Kollaps unter das Niveau von Ende 2018 / Anfang 2019 vorstellen.“

    Meinst du damit ein Verbot der Kryptos durch Regierungen und für wie wahrscheinlich hältst du das?

    Was hat es mit „Liberty Reserve“ auf sich?

    • Paul Janowitz // 7. Juli 2020 um 20:27 // Antworten

      „Liberty Reserve“ war eine Art PayPal ohne KYC, hatte „Stablecoins“ zu Dollar, Euro und Gold und Zahlungen waren unwiderruflich. Der Geschäftssitz war in Costa Rica und über Nacht wurde der Betrieb nach Druck von US-Behörden eingestampft, alle Kundeneinlagen futsch.

      Die Parallelen zu Tether sind für mich ziemlich deutlich.

      Meinst du damit ein Verbot der Kryptos durch Regierungen und für wie wahrscheinlich hältst du das?

      Sehr unwahrscheinlich, aber wie gesagt, über 90% des aktuellen Handelsvolumens basieren auf einem sehr fragilen Asset, welches sich Tether nennt und das kann durchaus abgeschaltet oder zumindest verboten werden. Welche Auswirkungen das auf die Märkte hätte, kann man sich kaum ausmalen, aber wahrscheinlich erstmal steil nach unten…

      • Tommy // 8. Juli 2020 um 11:57 //

        Ein Verbot von Tether könnte die Leute erstmal in Bitcoin treiben. Das wäre wahrscheinlich die schnellste Methode um Tether umzuwandeln.

      • Paul Janowitz // 8. Juli 2020 um 12:58 //

        @Tommy
        Auf den ersten Blick schon, aber Exchanges dürften von einem Verbot / Shutdown als erste erfahren und Trading gegen USDT einstellen. Da Tether bei vielen Börsen der einzige „Fiat“ On-/Off-Ramp ist, weil geregeltes Banking eine der größten Hürden für den Betrieb darstellt, würde das Handelsvolumen entsprechend implodieren.

        Ich will hier keine Hiobsbotschaften an die Wand projizieren, aber jeder, der irgendwie in Kryptowährungen involviert ist, sollte sich mittlerweile des „Faktors“ Tether bewusst sein, selbst wenn man selbst nie mit Tether gehandelt hat. Wie gesagt empfehle ich die Lektüre von Artikeln über die Schließung von „Liberty Reserve“…

  5. Tether hab ich nie benutzt, trotzdem kaufe ich monatlich als HDLR nach, denke der massive Anstieg von 2nd-Layer beruht auf dem derzeitigen „stabilen“ Kurs von BTC, da er offensichtlich vor einer Entscheidung steht, nach unten oder nach oben.

    Diejenigen die Angst vor einem Abstieg haben verkaufen ihre BTC und „parken“ ihr Geld in mMn 2nd-Layer.

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