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Argentinien stimmt für den Dollar

Javier Milei 2022, Bild von Ilan Berkenwald via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Argentinien hat gewählt, und die Bitcoin-Szene überschlägt sich mit Glückwünschen und Meldungen an den neuen Präsidenten Javier Milei. Warum? Und was sind seine währungspolitischen Pläne?

Manchmal kann sich die Krypto-Szene auch einig sein. Etwa beim frisch gewählten argentinischen Präsidenten Javier Milei. Jeder mit einem Namen jubelt, gratuliert, berichtet, und der Bitcoin-Kurs steigt um drei Prozent.

Man weiß bei Milei nicht genau, wie man ihn nennen soll. Die deutschen Medien nennen ihn gerne einen Rechtspopulisten, er selbst bezeichnet sich als „Anarchokapitalist“, was wohl der Grund für die überschäumende Sympathie der Bitcoin-Community ist.

Klar ist aber: Milei hat 21 Jahre lang als Wirtschaftsprofessor gearbeitet und hohe Positionen in Banken bekleidet. Er ist liberal bis libertär, nennt seine Hunde nach Gelehrten der österreichischen Schule, und erklärte in seinem Wahlkampf mantrahaft, die Zentralbank abzuschaffen und den Peso durch den Dollar zu ersetzen.

Konkret sollen die Argentinier zunächst freiwillig zwischen den beiden Währungen entscheiden können. Sobald die Geldbasis zu zwei Dritteln konvertiert ist, wird die Wirtschaft vollständig dollarisiert, was dann vermutlich mit der Auflösung der Zentralbank einhergeht.

Bei den Argentiniern rennt er damit offene Türen ein. Der Peso hat seit 2019 gut 90 Prozent seines Dollarwertes verloren, seit 2009 sogar 99 Prozent. Die Wahl von Milei ist daher vor allem ein geldpolitisches Signal: gegen den Peso und für den Dollar.

Oder, anders gesagt: Für den Entzug der geldpolitischen Souveränität.

„Zentralbanken sind Betrug“

Viele Äußerungen von Milei fanden vor dem Hintergrund des Wahlkampfes statt. Eine Währung wie der Argentinische Peso gibt samt Zentralbank ein dankbares Ziel für öffentliche Häme ab.

Einmal sagte Milei, eine Zentralbank sei „Scam, nichts als ein Mechanismus, durch den eine Politiker-Kaste das Volk durch Inflationssteuern betrügt.“ Ein andermal zählte er auf, dass es vier Arten von Zentralbanken gebe – die schlechten wie die US-amerikanische Fed, die sehr schlechten, wie die in Südamerika, die furchtbaren, und schließlich die Zentralbank Argentiniens, die eine eigene Kategorie bilde.

Der neue Präsident wird es nicht einfach haben, sein Versprechen umzusetzen, schon allein, weil er im Parlament keine echte Mehrheit hat. Viele Ökonomen des Landes warnen, dass die Zentralbank nötig sei, um Liquidität auf den Markt zu bringen, und das Land gar nicht genügend Devisen aus dem Ausland beziehe, um sich einen Dollar-Standard erlauben kann. Weil die Abschaffung des Peso den finanziellen Handlungsspielraum des Staates beschränkt, wird sich Milei zudem einem harschen Widerstand aus dem öffentlichen Dienst stellen müssen.

Ob er es schafft, steht daher in den Sternen. Ernst meint Milei es aber ohne Zweifel. Schon in seinem ersten Interview nach der Stichwahl erklärte er, die Inflation durch den Austausch des Peso gegen den Dollar zu mildern.

Auch seine Personalwahl zeigt, wie ernst es ihm ist: So beraten ihn zwei Ökonomen, die schon Carlos Menem beraten hat, als er in den 90er den Peso an den Dollar band. Das stabilisierte die Währung des Landes für einige Jahre, jedoch zum Preis einer autokratischen Regierung.

Vielleicht fürchten manche darum den „Rechtsextremen“ in Milei. Seine ökonomischen Zielen sind so hoch gespannt, dass er sie womöglich nicht mit rein demokratischen Mitteln verwirklichen kann.

Argentinien ist längst die zweitgrößte Dollar-Ökonomie

Die wichtigste Figur in Mileis Dollarisierungs-Plänen ist jedoch Emilio Ocampo, Professor für Finanz- und Wirtschaftsgeschichte an der privaten CEMA-University in Buenos Aires. Er ist direkt mit dem Projekt beauftragt.

Auf seinem Blog beantwortet Ocampo die Kritik argentinischer Ökonomen an der Dollarisierung in akademischer Fachlichkeit und ermüdender Detailwut. In einem Artikel im Independent spitzt er seine Argumente dagegen zu. Die argentinischen Ökonomen, die gegen die Dollarisierung sind, würden schlicht nicht verstehen, „dass die Bürger Argentiniens sich bereits für den Dollar entschieden haben.“

Niemand in Argentinien, schreibt Ocampo, möchte noch Peso halten. Inoffiziell sei das Land längst die zweitgrößte Dollar-Ökonomie nach den USA. Die Argentinier hielten 200 Milliarden Dollar in Geldscheinen, während die Geldmenge des Peso nur 50 Milliarden Dollar betrage. Mileis Dollarisierung mache lediglich eine informell längst gefallene Entscheidung offiziell.

Der Weg in eine Dollarzone

Daneben weiß der Geschichtsprofessor Ocampo die Vergangenheit hinter sich. Mit Hinweis auf ein kürzlich erschienenes Paper erklärt er, dass es 96 Fälle gebe, in denen eine vorübergehende oder dauerhafte Dollarisierung geholfen habe, eine Volkswirtschaft zu stabilisieren.

Dem stimmt die libertäre US-amerikanische Denkfabrik Cato Institute zu: Panama, Ecuador und El Salvador haben gezeigt, dass private Unternehmer in den dollarisierten Ländern Lateinamerikas Kredite zu besseren Bedingungen erhalten. Ein Dollarstandard lege zudem den Regierungen eine harte Budgetgrenze auf, was sie zu mehr Haushaltsdisziplin zwinge.

Das Cato Institute verspricht sich von Mileis Sieg bereits „den Weg für eine Dollarzone.“ Denn während Panama, Ecuador und El Salvador relativ kleine Volkswirtschaften sind, ist Argentinien groß und einflussreich. Sein Beitritt würde die lateinamerikanische Dollarzone enorm vergrößern und könnte weitere Länder der Region mit sich ziehen, bis schließlich beide Amerikas unter dem Zeichen des Dollars handeln.

Die Früchte der Selbstentmündigung

Eine Dollarisierung ist eine geldpolitische Selbstentmündigung. Ein Land, das sich gegen eine eigene Währung entscheidet, entscheidet sich dagegen, dass die Politiker das Geld beeinflussen.

Wenn man sagt, Bitcoin sei die Trennung von Staat und Geld, dann ist das, was Milei in Argentinien plant, nicht weit von Bitcoin weg. Milei möchte das Geld vom Staat trennen – aber nur vom argentinischen. Im vollen Bewusstsein, dass die Federal Reserve nur die am wenigsten schlechte unter den Zentralbanken ist, vertraut er auf den Dollar. Besser gut fremdgesteuert als schlecht selbstverantwortlich.

Konsequenter wäre es gewesen, das Problem der Politik nicht nur ins Ausland abzuschieben, sondern ganz aufzulösen. Mit Bitcoin oder anderen Kryptowährungen hätte Milei dafür die Möglichkeit gehabt. Aber dies ist derzeit vermutlich noch nicht mehrheitsfähig, während der Dollar in Argentinien längst die Bevölkerung hinter sich hat.

Global bildet sich hier ein interessanter Trend ab. Während die Brics-Staaten seit eh und je die „De-Dollarisierung“ planen, wird der Dollar nicht schwächer, sondern stärker. Niemals war der Dollar so sehr Weltwährung und Maas aller Dinge wie heute, wofür auch Stablecoins wie Tether (USDT) einen Beitrag geleistet haben.

Noch bringen sich Länder, die sich wie Argentinien dollarisieren, in die Abhängigkeit von der US-Regierung. Durch Kryptowährungen könnte sich dies aber ändern. Es gibt mit Tether bereits unabhängige Emittenten von digitalen Dollar, mit der Maker DAO sogar eine dezentrale Organisation, die einen Dollar herausgibt, ohne echte Dollar zu halten. Mit solchen Instrumenten, vor allem DAOs, könnte sich die Herausgabe von Dollar von den USA weg dezentralisieren, was langfristig vielleicht die logische und einzig sinnvolle Evolution des Dollars wäre.

Kurzfristiger dürften Stablecoins wie die Mountain Dollar interessant werden, die die Erträge aus Staatsanleihen an die Besitzer weitergeben. Der USDM ist in den USA verboten, da er dort als Wertpapier gilt – aber er ist in Argentinien erlaubt. Sollte sich ein solches Modell durchsetzen, könnten die Argentinier bald ein Geld benutzen, das schöne Zinsen auszahlt – während sie die US-Regierung mit finanzieren.

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6 Kommentare zu Argentinien stimmt für den Dollar

  1. Noch bringen sich Länder, die sich wie Argentinien dollarisieren, in die Abhängigkeit von der US-Regierung. Durch Kryptowährungen könnte sich dies aber ändern. Es gibt mit Tether bereits unabhängige Emittenten von digitalen Dollar, mit der Maker DAO sogar eine dezentrale Organisation, die einen Dollar herausgibt, ohne echte Dollar zu halten. Mit solchen Instrumenten, vor allem DAOs, könnte sich die Herausgabe von Dollar von den USA weg dezentralisieren, was langfristig vielleicht die logische und einzig sinnvolle Evolution des Dollars wäre.

    Hier bist Du aber ganz schön weit galoppiert…
    Mit der Abschaffung seiner eigenen Zentralbank setzt man sich der Willkür einer fremden aus, die man dafür auswählt, hier die FED, die fröhlich ihre Geldmenge erweitert, von der man selbst aber nicht profitieren kann. Klar, das bietet zumindest ausländischen Investoren gewisse Sicherheiten und wird Kapital anziehen, auch der Handel ist ohne Wechselkursschwankungen einfacher. Aber sich der Willkür eines privaten Unternehmens wie Tether auszusetzen wäre schon grob fahrlässig. Das können die Wirtschaftsakteure selbst tun, wenn sie das wollen, aber als Staat wäre das ein Totalschaden.

    Erst kürzlich hat Tether mal eben 225 Mio. Dollar eines angeblichen Kartells eingefroren, afaik basierend maßgeblich auf Daten von Chainalysis. Würde der Staat auf ein solches Asset setzen, gäbe er nicht nur die Suveränität der Geldpolitik auf, sondern auch der eigenen Gesetzgebung und ein Mountain USD könnte nach Belieben der US-Behörden auch illegal werden, bzw. alle USDT, die damit interagieren.

    • Tether wäre ja nur ein Emittent, prinzipiell könnte jedes Land über verschiedene Emittenten digitale Dollar in Umlauf bringen.

      • Naja, ich würde es als Staat unterlassen, mich dabei auf private Unternehmen zu verlassen, insbesondere an nicht-regulierten Offshore-Standorten, denn bei US-„heimischen“ und -regulierten kann man wenigstens davon ausgehen, dass sie wirklich durch Dollar gedeckt sind. Trotzdem ist der Willkür Tür und Tor geöffnet.

        Wenn man sich allerdings zu einem Dollar-Standard bewegt, kann man es den Akteuren wie Unternehmen und Privatpersonen offen lassen, ob sie selbst welche auch immer tokenisierten Dollar verwenden, als Staat würde ich dann eher auf einen offiziellen CBDC warten (ich persönlich nicht, aber ich würde auch keinen Dollar einführen).

      • Ist es für Argentinien wichtig, dass die Dollar wirklich gedeckt sind? Wenn es wegen ungedeckter Dollar eine Inflation gibt, federt das ja die viel größere Dollar-Ökonomie ab. Wäre ja nicht so, dass Tether die Staatswährung wird, sondern nur ein Medium für den Dollar unter vielen. Wird noch Dollar auf Bankkonten geben, auf PayPal, Scheine, USDC, DAI …

        Im Prinzip könnte Milei ab da an auch sagen, „wir drucken jetzt die eigenen Dollar, die wir durch unsere geheimen Reserven decken“. Sie könnten das selbst machen, oder Tether gibt ihnen ein Kontingent von z. B. einer Milliarde im Jahr. Argentinien bringt die Dollar in Umlauf, und wenn sie ungedeckt sind, wird das bisschen Inflation wird im weiten Dollar-Raum noch nicht mal auffallen … nicht dass ich das gut finde, aber schon auch interessant.

        Der CBDC könnte ja ein Dollar sein. Aber irgendwie quatsch, das wieder den Staat machen zu lassen anstatt private Unternehmen.

  2. Hm, bei Milei, bei den Aussagen die er so tätigt, habe ich mehr – also im Gegensatz zu Bukele – das Gefühl, dass die Einordnung der Journalisten in einem ähnlichen Lager wie Donald Trump zu liegen, durchaus gerechtfertigt ist.
    MAGA (also „make Argentina great again“) war durchaus ein starker Akzentpunkt seines Wahlkampfs. Daneben tritt er als Volllibertärer für die Abschaffung jeglicher Kontrolle (z.B. auch die von privaten Waffen) ein. Wenn man seine Aussagen ernst nimmt, will er den Staat Argentinien eigentlich abschaffen.

    Ich bin wie die meisten hier im Forum natürlich zu weit weg um wirklich beurteilen zu können, was bloss gesagt oder was am Ende dann auch gemacht wird.

    Aber egal wie man dazu steht, kann man im Groben sicher sagen, dass Südamerika sein Heil zunehmend mehr in Kryptowährungen sucht.

    Was irgendwie total nachvollziehbar ist, wenn man defakto geldpolitisch sowieso nicht souverän ist. Der Peso ist defakto jetzt schon keine wirkliche Macht mehr, um national wirksame Geldpolitik zu betreiben.
    Ob man dann im Dollar unsouverän ist oder in Bitcoin, ist letzlich fast egal.
    Letzteres unterliegt aber wenigstens nicht der Kontrolle des großen mächtigen Nachbarn im Norden.
    Dass man dann zuerst zum Dollar greift, ist vielleicht bloss der Tatsache geschuldet, dass man sich auch nicht über Nacht dem Zugriff des Dollars einfach entziehen kann also erstmal etwas Appeasment gen Norden betreiben muss.

    Auf diesem Kontinent (sowie in Afrika) bleibt es jedenfalls spannend.

    • Ob man dann im Dollar unsouverän ist oder in Bitcoin, ist letzlich fast egal.
      Letzteres unterliegt aber wenigstens nicht der Kontrolle des großen mächtigen Nachbarn im Norden.

      Durch die Limitierung Bitcoins wird dieses Argument maximal aufgeweicht, denn wie ein Bukele mit Chivo Wallet eine komplett Custodial „Lösung“ einsetzt und im Prinzip „Paper Bitcoin“ einsetzt und sich sogenannte Influencer zum Affen machen, wenn sie Wallet of Satoshi als Bitcoin Adoption vergöttern, ist leider alles andere, nur nicht Bitcoin. WoS hat übrigens seine Dienste erst vor ein paar Tagen in den USA eingestellt…

      Klar, man kann in der Regel (noch – und falls man eine Route findet) mit Chivo Wallet oder WoS auch non-custodial interagieren, nur wird das immer schwieriger, wenn OnChain Gebühren steigen, was sie auch tun müssen, um die sinkenden Coinbase Rewards zu kompensieren… Erst kürzlich war eine non-custodial Nutzung für die meisten Menschen schon fast unmöglich:
      https://twitter.com/janowitz/status/1725870153060036645
      Das war eher nicht die Ausnahme, sondern wird zur Regel werden.

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